Jaime Caseo

Weder Krieg noch Frieden

Interview mit Jaime Caseo, Generalsekretär der Partido Comunista Colombiano, zum Verhandlungsprozeß in Kolumbien

Wie im Wahlkampf versprochen, bemüht sich die Regierung von Andrés Pastrana um Verhandlungen mit der Guerilla. Was halten Sie von dieser Initiative?

Bisher hatte jede Regierung ihre eigene Vision von einem Friedensprozeß. Das hatte immer etwas mit den eigenen privaten Interessen zu tun. Wir haben seit 16 Jahren verschiedene Anläufe zur Beilegung des Konflikts erlebt, die alle gescheitert sind. Nun verfolgt Präsident Pastrana eben seine Vision eines Friedensprozesses.

Also hat sich nichts verändert?

Es hat in diesen 16 Jahren zahlreiche Veränderungen gegeben. Ein Teil der revolutionären Bewegung ist vom bewaffneten Kampf abgerückt und hat sich als Partei konstituiert, um sich mit den traditionellen Kräften zu arrangieren. Auch die Regierung hat ihre Position geändert: Sie hat mit den unterschiedlichen bewaffneten revolutionären Kräften - wie der Farc, der ELN und anderen - Gespräche aufgenommen.

Die Positionen liegen weit auseinander. Für die Guerilla ist beispielsweise klar, daß es ohne einen politischen Wandel keinen realen Frieden geben kann. Das Dilemma ist: Es geht nicht um Krieg oder Frieden, sondern um reale Veränderungen - um konkrete soziale Veränderungen und um eine echte Demokratisierung des Landes. Bisher hat die herrschende Klasse den Kurs vorgegeben und die Möglichkeiten des Dialogs von vornherein begrenzt.

Wodurch werden die Verhandlungen erschwert?

Das Ende der Union Patriotica, deren Mitglieder durch die Attentate und Massaker der Paramilitärs systematisch ausgemerzt wurden, ist auf seiten der Guerilla nicht vergessen worden. Insbesondere bei der Farc. Verantwortlich dafür war die Regierung und deshalb hätte sie angeklagt werden müssen. Die Umwandlung der Guerilla in eine politische Partei ist seit diesem Ereignis unwahrscheinlich.

Dieser Vorfall liegt Jahre zurück.

Bis heute gibt es keine Garantien für die politische oder soziale Opposition in Kolumbien, und ohne derartige Garantien wird es keinen Frieden geben. Das ist die schmerzliche Realität. Politiker wie Ernesto Samper und Pastrana wissen das. Aber Samper hat sich gegen das Militär nicht durchsetzen können. Pastrana hat sich bereits während des Wahlkampfs der Farc angenähert und nun den Dialog mit ihr aufgenommen. Problematisch ist jedoch, daß er den Dialog allein mit einem Teil der Guerilla führt - eben der Farc - und seine Position zu den anderen Guerillaorganisationen, allen voran die ELN, nicht klarmacht.

Es wird doch von Regierungsseite enormer politischer Druck auf die ELN ausgeübt.

Die Regierung sucht ihren Vorteil. Sie hat sich bisher gegen jedes Abkommens zur Aufnahme der Verhandlungen mit der ELN gesperrt. Das hat zur Radikalisierung der ELN geführt. Sie hat die Regierung unter Druck gesetzt, damit ihr die gleichen Konditionen eingeräumt werden wie der Farc: die Entmilitarisierung eines Verhandlungsareals.

Welche Rolle spielen die USA in der aktuellen Situation?

Die USA sind Bestandteil des Konflikts. Sie haben die kolumbianische Regierung politisch, militärisch und logistisch unterstützt sowie Waffen und Strategien für die Kriegführung geliefert. Derzeit haben sie ihre Militärhilfe unter dem Deckmantel des Antidrogenkampfes weiter aufgestockt und helfen bei der Modernisierung der Armee. Auch die militärischen Strategien zur Guerillabekämpfung werden von den USA geliefert.

Neuester Coup ist die Aufstellung eines gemeinsamen Bataillons von 2 000 spezialisierten Soldaten zur Drogenbekämpfung. Offenbar soll dieses Bataillon gegen die Guerilla eingesetzt werden.

Durch die regelrechte Gleichsetzung von Drogenbekämpfungs- und Guerillabekämpfungsstrategien wird der Dialog zusätzlich erschwert.

Pastrana hat den Ansatz der USA übernommen und die Drogenproblematik zum nationalen Sicherheitsrisiko erklärt. Drogenproblematik und Bürgerkrieg werden als zwei Seiten einer Medaille behandelt, was komplett falsch ist. Für den Ausbruch des Bürgerkriegs sind politische und soziale Faktoren, wie die extrem ungerechte Verteilung der Reichtümer des Landes, die ausbleibende Agrarreform und die fehlende Partizipation verantwortlich.

Ist der Verhandlungsprozeß zum Scheitern verurteilt?

Immerhin gibt es nun einen Dialog. Das Problem sind die Paramilitärs, die am Verhandlungstisch Platz nehmen wollen, aber da nicht hingehören. Sie sind eben kein politischer Akteur, sondern nur ein Instrument des Staates. Außerdem gefährdet die Wirtschaftspolitik der Regierung den Friedensprozeß: Sie ist strikt neoliberal und mit den Zielen der Guerilla unvereinbar. Ein weiterer negativer Aspekt ist die konsequente Aufrüstung der Armee und der "Plan B". Dieser tritt ein, wenn der Dialog scheitert, und setzt auf die militärische Option und damit auf die Ausweitung des Bürgerkriegs.

Der Friedensprozeß ist nicht einfach, aber es hängt viel davon ab, wie sich die Bevölkerung verhält - ob sie Druck auf die Regierung ausübt. Mit Aktionen und Demonstrationen kann der Friedensprozeß aktiv unterstützt werden.