Polen und die EU

Billiger Beitritt

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Vielleicht liegt es an Mika Häkkinen, der als Vorbild dient: Unter finnischer Präsidentschaft beschleunigt die EU bei den Erweiterungsverhandlungen zügig. Die Ostausdehnung habe in den kommenden sechs Monaten absolute Priorität, kündigte die finnische Delegation mit voller Unterstützung der britischen und deutschen Vertretung an.

Erstmals wurde in Brüssel auch ein konkreter Termin genannt - der 1. Januar 2003. Bis 2001 soll bereits die Zollunion abgeschlossen sein. Die polnischen Verhandlungsführer freuten sich riesig über die erstaunlich klare Aussage und setzten gleich nach: Man hoffe auch, daß die Gespräche mit der zweiten Garde, also Lettland, Litauen, Bulgarien oder Rumänien, forciert würden. Das neue Mitglied möchte seinen Hinterhof gleich mitbringen.

Doch die Begeisterung erhielt postwendend einen Dämpfer. Polen habe, ebenso wie Tschechien, bisher weder ein Angebot zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs noch zur Frage des Landerwerbs durch Ausländer vorgelegt. Alle anderen Kandidaten haben ihre Vorschläge schon unterbreitet. Ungarn bittet um eine zehnjährige Übergangsfrist für landwirtschaftlich genutzten Boden und eine fünfjährige bei anderweitig deklarierten Flächen.

In Prag und Warschau hingegen wird, wenn es um Landerwerb geht, besonders vorsichtig diskutiert. Man befürchtet, mit der Freigabe des Bodens ein Einfallstor für revisionistische Attacken der selbsternannten deutschen Vertriebenen zu schaffen. Hinzu kommt, daß in Polen die Verteidigung von "gods playground" (Norman Davis in Anspielung auf den katholischen Nationalmythos) dem rechten Flügel der Wahlaktion Solidarität obliegt, der damit Zwist in die Regierungskoalition mit der rechtsliberalen Freiheitsunion bringt.

In Brüssel erscheinen solche Kindereien offenbar nur lästig. Die Beitrittsverhandlungen gingen ohne Polen weiter, wenn die Frage von der Warschauer Regierung nicht bis Ende Juli geklärt werde, von langwierigen Übergangsfristen sei man ohnehin nicht begeistert.

Was der Beitritt praktisch bringen wird, verdeutlicht indes der EU-Vorschlag zur Öffnung des Lebensmittelmarktes. Innerhalb von acht bis zehn Jahren werden die Subventionen und Zölle beiderseits der Oder abgebaut sowie steigende Handelskontingente vereinbart. Eine Idee, die in Warschau Zustimmung findet, könnte man doch die Exportmöglichkeiten, die bisher durch EU-Zollbestimmungen stark begrenzt sind, sprunghaft erhöhen.

Polnische Bauern hätten dann die Möglichkeit, Rohprodukte wie Zucker, Milch und Rindfleisch zu Hause und in der EU zu verkaufen - Waren, die auf dem liberalisierten Markt durchaus konkurrenzfähig wären. Auch fiele die Angst vor subventioniertem Getreide und Viehfutter aus der EU weg. Die EU verspricht sich im Gegenzug, mehr hochwertig verarbeitete Lebensmittel nach Polen verkaufen zu können. Ein EU-Unterhändler schlug vor, Polen solle am besten gleich lebende Ware exportieren. Der Westen wäre dann für die Weiterverarbeitung und Veredelung der polnischen Billigware zuständig.

Doch die Rolle des Lieferanten für landwirtschaftliche Rohstoffe ist Polen noch nicht sicher. Im Kleingedruckten des Vorschlags drängt die EU auf die Einhaltung der sanitären und veterinären Normen, ohne die für Polen kein Geschäft mit dem Westen denkbar sei. Nach diversen Lebensmittelskandalen könne man sich hier keine Änderung der Regelungen erlauben. Wie der noch mit Melkschemel und Blecheimer arbeitende polnische Kleinlandwirt zu einer sauberen computergesteuerten Melkanlage kommen soll, bleibt ein Brüsseler Geheimnis.

Die EU versucht so, die kapitalintensiven Stückchen herauszupicken und die Kandidaten auf die arbeitsintensiven Bereiche festzulegen. Welchen Platz Polen in der EU-Arbeitsteilung einnehmen soll, zeigt auch der sogenannte Kohlestreit. Britische Firmen hatten gegen subventionierte Preise der polnischen Kohle und des verarbeiteten Koks protestiert und Anti-Dumping-Zölle von Brüssel gefordert. Vor zwei Wochen wechselten Scottish Coal und RJB Mining die Strategie: Sie zogen den Antrag an die EU-Kommission, mit Zöllen gegen den polnischen Rohstoff vorzugehen, zurück - falls die Kattowicer Hütten ihr veredeltes Koks vom britischen Markt nähmen. So eine elegante Wende hätte auch Mika Häkinnen nicht besser hinbekommen. Und Michael Schumacher schon gar nicht.