Rifondazione Comunista

Wandel und Bruch

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Ein wechselseitiges Mißverständnis kennzeichnet die generalisierende Wahrnehmung der jeweiligen parlamentarischen Linken in Italien und Deutschland samt der von ihnen gewöhnlich desinformierten politischen Kreise. Hierzulande gilt der Sekretär von Rifondazione Comunista als nicht integrierbares kommunistisches Schreckgespenst - in Italien gelten die deutschen Sozialdemokraten als Reformsozialisten. In Wahrheit ist Fausto Bertinotti allenfalls einer der letzten reformistischen Sozialdemokraten, die den Anspruch der Sozialstaatsillusion praktisch einlösen wollen. Was man von den deutschen Sozialdemokraten nicht behaupten kann.

Das Verhältnis von Rifondazione zu der von ihr unterstützten Olivenbaumregierung war, auf der Basis einer Vereinbarung zwischen den Parteiflügeln - den Anhängern Bertinottis, des Parteipräsidenten Cossutta oder der Trotzkisten - von der Alternative "Wechsel oder Bruch" bestimmt. Durch die Drohung, bei wichtigen Abstimmungen im Parlament die nötigen Stimmen zu verweigern, sollte Druck ausgeübt werden -, um so bei den anschließenden Verhandlungen einen Richtungswechsel oder zumindest beträchtliche Verbesserungen bei der Sozialpolitik und der Umverteilung von Einkommen herauszuschlagen.

Zur 35-Stundenwoche ließ es Rifondazione im letzten Jahr schon einmal auf den Bruch ankommen - und bekam von der Regierung Prodi das Versprechen, sich in einer Art konzertierter Aktion mit den Modalitäten einer Festschreibung der Arbeitszeitverkürzung zu einem späteren Zeitpunkt zu befassen. Bei den Vorverhandlungen über den diesjährigen Haushalt wurde nun um Sozialrenten, Mutterschutz, mehr Steuergerechtigkeit etc. gepokert.

Mit den dabei erzielten geringen sozialpolitischen Erfolgen scheint sich nun ein Teil der Kommunisten um Cossutta zufrieden zu geben und vollzieht spektakulär den "Bruch" mit der Richtung Bertinottis. Der muß jetzt mit dem Ruf eines "Abenteurers" leben, der seiner Maximalforderungen wegen das Land lieber den Rechten ans Messer liefert, als nachzugeben, wo es die Vernunft gebietet. Damit aber tut man Bertinotti unrecht. Er phantasiert sich nämlich eine Stärkung seiner Standpunkte durch den Wahlsieg ausgerechnet der deutschen Sozialdemokraten und einer sich daraus ergebenden Achse Jospin-Schröder herbei. Wachsende Unzufriedenheit der Lohnabhängigen mit der maastrichtkonformen Politik der Regierungstechnokraten würde Italien erlauben, den Schwerpunkt weiter nach links zu verlagern.

Bertinottis Manöver zielte zunächst auf die Ablösung der Mitte-Links-Regierung Prodis durch ein mehr sozialistisch ausgerichtetes Kabinett D'Alema. Also auf eine durchaus denkbare systemimmanente Lösung: Weder müßte es dabei zu Neuwahlen kommen, noch ginge es um eine radikale Steuerung und Umwidmung der Kapitalakkumulation, erst recht nicht um eine, wie auch immer geartete Sozialisierung der Produktionsmittel.

Daneben spielt auch Repräsentanz eine Rolle: In einer Welt, in der das diffuse Wesen des Sozialen nur sehr eingeschränkt am symbolischen Himmel der Politik vertreten ist, weite Teile der Gesellschaft aus dem Verwertungsprozeß herausgefallen sind und sich in entgarantierten Verhältnissen irgendwo zwischen Subsidiarität und postindustrieller Reservearmee bewegen, ist noch eine bislang vakante Vermittlungsstelle zu besetzen. Die sich in zaghaften Ansätzen von selbst bildende soziale Opposition aus diesen Schichtungen der Gesellschaft mit ihren centri sociali und Kooperativen bildet zusammen mit den alternativen Gewerkschaften, Basisgruppen und Arbeitslosen-Initiativen ein Reservoir neuer Energien, das Bertinotti für die eigene Verhandlungsmacht anzapfen will.

Es ist beim "Bewegungsflügel" von Rifondazione deshalb viel von Antagonismus die Rede, und das ist es, was Bertinotti so sympathisch macht. Er steht auf der Seite der Ausgeschlossenen. Doch deren Selbstorganisation ist schließlich keine Parteisache.