»Antifaschismus ist für uns nicht alles«

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In Königs Wusterhausen distanziert sich der PDS-Kreisverband von Protesten gegen rechten Jugendclub

"Ein Großteil unserer Besucher ist rechtsorientiert, ein Teil gewaltbereit", gesteht Matthias Pletsch etwas ratlos seine "Arbeitsvoraussetzungen" ein.

Der Mittdreißiger ist Streetworker in dem umstrittenen Jugendclub "Oase" im brandenburgischen Königs Wusterhausen, der als Stützpunkt der rechten Szene in die Kritik geraten ist. Um akzeptierende Sozialarbeit handele es sich bei seiner Tätigkeit aber nicht: "Wenn rechtsextreme Zeitschriften, Aufkleber und CDs verteilt werden, schreiten wir ein." Ein Hausverbot werde allerdings selten ausgesprochen. "Da muß schon etwas Drastischeres passieren." Sorgen bereitet dem Sozialarbeiter vor allem eine bevorstehende Demonstration gegen "faschistische Strukturen" in Königs Wusterhausen, die sich vor allem gegen den von der Arbeiterwohlfahrt getragenen Jugendclub richtet.

"Grabt der Oase das Wasser ab", heißt es in einem Flugblatt, das von 20 linken Gruppen aus Berlin und Brandenburg unterzeichnet ist. Obwohl er das Anliegen einer antifaschistischen Demo "völlig richtig" finde, hält Pletsch die Kritik an den Betreibern der von Stadt, Landkreis und Land mitfinanzierten "Oase" für verfehlt. Der Rechtsextremismus komme aus der Mitte der Gesellschaft, als Sozialarbeiter könne er keine Politik machen, sondern höchstens Einfluß auf Einzelschicksale ausüben. Auch für Gewalttaten sei nicht die "Oase" verantwortlich zu machen. Die passierten meist nach Dienstschluß, "die Täter könnten genauso gut von woanders kommen". Daß es im Jugendclub selbst meist friedlich zugeht, könnte auch daran liegen, daß linke Jugendliche der "Oase" aus Angst vor Übergriffen fernbleiben. "Der Verdrängungsmechanismus greift", wie auch Pletsch feststellt.

Die Kritiker der "Oase" gehen einen Schritt weiter. Für sie ist der Club "fester Bestandteil der rechten Infrastruktur", in dem "Hauptaktivisten der KWer Naziszene" ihre Rekrutierungsarbeit vornähmen. Die Einrichtung diene als Ausgangspunkt rechter Übergriffe. So seien im November 1996 Angehörige des Stadtjugendrings aus dem Club heraus überfallen worden. Auch die Täter, die Ende Februar zwei geistig Behinderte mit Eisenstangen schlugen und sie zwangen, bellend auf dem Boden zu kriechen, gaben bei ihrer Verurteilung an, in der "Oase" zu verkehren.

"Nicht die Probleme, die rechtsextreme Jugendliche machen, sondern die Probleme, die rechtsextreme Jugendliche haben", stünden im Mittelpunkt der integrativen Sozialarbeit. Das Resultat sei die Hegemonie der Rechten im subkulturellen Bereich, heißt es in dem Flugblatt.

Die Protestaktion gegen den Jugendclub sorgt mittlerweile bei vielen der 19 000 Einwohner der Stadt im Dahmeland für Aufregung. "Hilfe: 'Antifa' will Oase stürmen" überschrieb die Märkische Allgemeine Zeitung einen Beitrag, der Krawalle heraufbeschwört. Konkrete Hinweise gibt es nach Auskunft der Behörden dafür vorerst nicht. Allerdings habe inzwischen auch eine "Privatperson aus der rechten Szene" einen Aufzug "Gegen den linken Terror" angemeldet, so der Sprecher des Polizeipräsidiums Potsdam.

Ausschreitungen - vor allem von links - befürchtet auch Martin Müller vom Kreisvorstand der PDS, die kürzlich zum Krisentreffen lud: "Vorher oder nachher ist die Oase platt." Man habe sich von dem Demonstrationsaufruf distanziert, erklärt Müller. Mit einer Demonstration, die sich gegen konkrete Objekte richte, möchte der PDS-Mann nichts zu tun haben. Schließlich seien die Organisatoren zu spät an die PDS herangetreten, begründet er seine Distanz. Außerdem lasse sich die PDS keine Rechts-Links-Gewaltdiskussion aufzwingen. Die Parole "Grabt der Oase das Wasser ab" berge die Möglichkeit der Gewaltanwendung.

Müllers Genosse Stefan Ludwig hatte schon 1996 in einer Aktuellen Stunde des brandenburgischen Landtags den Ursprung rechtsradikaler Gewalt in der "zunehmenden Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen, so auch junger Menschen, gesehen". Verständnisvoll schloß er: "Zeigen wir täglich, daß die rechten Ideologen und die rechten Ideologien für die Gesellschaft die Gefahr darstellen und nicht die von ihnen mißbrauchten Jugendlichen!" Überhaupt, so Müller, will die PDS ihr Verhältnis zur Antifa klären: Die Partei plane dazu einen bundesweiten Grundsatzbeschluß, "aber nicht vor nächstem Jahr". "Wir verstehen uns als sozialistische Partei, Antifaschismus ist für uns nicht alles", schiebt er hinterher.

Die Literatur dazu steht in seinem Regal: "Kampf um Deutschland" lautet ein offensichtlich aus DDR-Altlasten stammender Titel. An der ansonsten gähnend leeren Pinnwand für die hausinterne Verständigung hängt ein Flugbatt mit der Überschrift "Alternativen 98" und die Notrufnummer der Polizei.