Die Produktpalette wird kleiner

Riskante Spiele

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Risiko ist in. Immer mehr Unternehmen machen sich von Erfolg oder Mißerfolg weniger Erzeugnisse abhängig. Sie konzentrieren sich auf eine schmale Produktpalette, um bei diesen Waren zu den größten Herstellern der Welt zu gehören. Dieses Ziel ist auf zwei Wegen erreichbar: Durch Abstoßen von Unternehmensbereichen, die nicht zu dieser Strategie passen. Oder durch Fusionierung mit Firmen, die im gleichen Geschäft tätig sind.

In der vergangenen Woche gab Siemens bekannt, daß der Konzern sich vom Unternehmensbereich Bauelemente trennen wird, nachdem er sich im letzten Geschäftsjahr unter anderem von den Sparten Sicherungstechnik und Dentaltechnik verabschiedet hatte. Und der Chemie- und Pharmakonzern Bayer beabsichtigt, die Tochterfirma Agfa abzustoßen. Begründung: Das Foto-Geschäft habe immer weniger mit Chemie zu tun.

Gleichzeitig fusionieren immer mehr Konzerne, deren Produktpaletten sich ähneln, beispielsweise Sandoz und Ciba-Geigy sowie Krupp und Thyssen.

Besonders anschaulich ist der Paradigmenwechsel in der Unternehmensstrategie bei Daimler-Benz. Erst vor wenigen Jahren war Diversifizierung angesagt: Indem der Konzern seine Tätigkeit auf viele unterschiedliche Bereiche verteilte, sollten Risiken gestreut und dadurch verringert werden. Getreu dieser Philosophie gründete der Industriekonzern die Dienstleistungstochter Debis. Und mit Dasa wollte Daimler beim Luft- und Raumfahrt- sowie Rüstungsgeschäft mitmischen - mit mäßigem Erfolg. Jetzt geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung: Daimler setzt auf Konzentration und fusioniert mit Chrysler, dessen Hauptgeschäft ebenfalls die Automobilproduktion ist.

Kurzfristig kann es für ein Unternehmen durchaus lukrativ sein, sich auf einige Produkte zu konzentrieren, bei denen es dann zur Weltspitze gehört. Denn wenn sich nur wenige Konzerne einen Markt aufteilen, können sie durch diese oligopolähnliche Stellung die Marktmechanismen teilweise außer Kraft setzen und Extraprofite einfahren. Hinzu kommt, daß die Entwicklungskosten pro Erzeugnis geringer sind, je mehr davon verkauft wird. Chrysler, dessen Absatz in Deutschland bisher nicht groß ist, erhofft sich von der Fusion mit Daimler zudem ein dichteres Vertriebsnetz; ähnliches gilt für Mercedes in den USA.

Doch den kurzfristigen Gewinnsteigerungen steht langfristig ein großes Risiko gegenüber. Sobald ein Unternehmen sich auf wenige Produkte konzentriert, kann die Aktie schnell nichts mehr wert sein, wenn bei nur einem Erzeugnis der Absatz einbricht.

Wie rasch es mittlerweile gehen kann, daß ein kompletter Unternehmensbereich aufgeben werden muß, sah man kürzlich bei Siemens: Als der Konzern im Juli bekanntgab, daß er seine Mikrochip-Fabrik im englischen North Tyneside schließen werde, war die Eröffnung des nagelneuen Werks erst ein Jahr her. 650 Millionen Pfund (1,8 Milliarden Mark) hatte die Muttergesellschaft bis dahin investiert - und damit in den Sand gesetzt. Zwei Jahre, bevor die Produktion in North Tyneside begonnen worden war, lag der Preis für einen 16-Megabit-Dram-Chip bei 50 Dollar. Siemens versprach sich ein Bombengeschäft. Ein Jahr später war der Preis auf 16 Dollar gesunken. Dann kam die Wirtschaftskrise in Asien, die Währungskurse der Tigerstaaten, wo ein großer Teil der weltweiten Chipproduktion stattfindet, gingen in den Keller. Und als Siemens sich entschloß, aus diesem Geschäft auszusteigen, war der Chip für 1,50 Dollar erhältlich.