Griechenlands Polizeibehörden geraten unter Druck

Freunde und Helfer

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Die sogenannte organisierte Kriminalität in Griechenland agiert zunehmend in Polizeistiefeln. Nach monatelanger Ermittlungsarbeit legte der zuständige Staatsanwalt Jorgos Gerakis Ende September einen Bericht über die Korruption innerhalb der griechischen Polizei vor.

Der Oberstaatsanwalt sah sich daraufhin vor zwei Wochen gezwungen, Anklage gegen führende Polizei-Offiziere und ehemalige enge Mitarbeiter des jüngst geschaßten Ex-Ministers für Öffentliche Ordnung, Jorgos Romäos, (Jungle World, Nr. 46/98) zu erheben. Unter den Angeklagten befinden sich der vor einem Monat zurückgetretene Chef der griechischen Polizei, Athanassios Vassilopoulos, und mehrere noch aktive Polizei-Offiziere.

Unter anderem wird ihnen vorgeworfen, an Paßfälschungen und illegalen Einbürgerungen beteiligt gewesen zu sein. Zumeist geht es dabei um Frauen aus ehemaligen Ostblockländern, die in Griechenland zur Prostitution gezwungen werden. Die Besitzer der entsprechenden Etablissements hatten über ihre guten Kontakte zur Polizei erreicht, daß die Frauen einen legalen Aufenthaltsstatus erhielten, damit bei eventuellen Razzien keine "Illegalen" angetroffen werden.

In den vergangenen vier Jahren wurden über 1 000 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte eingeleitet. Endeten die meisten Verfahren mit der Einstellung "mangels Beweisen", so ist doch das Anwachsen der sogenannten kriminellen Energie innerhalb des Polizeiapparates mittlerweile unbestreitbar. Allein die November-Ausgabe des Magazins Metro enthält eine Liste von über 100 Verbrechen mit Polizeibeteiligung aus den letzten zwei Jahren - eine breite Palette organisierter Kriminalität von Schmuggel, Autodiebstahl über Raubüberfall, Schutzgelderpressung, Drogenhandel bis hin zu Bombenanschlägen, Menschenhandel, Zuhälterei und Hehlerei.

Nicht enthalten in dieser Liste sind die "sich plötzlich lösenden Schüsse", denen bislang erstaunlicherweise nur Ausländer zum Opfer gefallen sind - meistens Albaner. Nach einer Studie der Organisation Jugend gegen Rassismus kamen mindestens neun Ausländer in den letzten Jahren bei dieser Art polizeilicher Fahndung ums Leben. Beim jüngsten dieser Fälle tötete vor zwei Wochen ein Zivilfahnder am hellichten Tage im Zentrum von Thessaloniki einen 17jährigen serbischen Schüler mit einem aufgesetzten Herzschuß. Der Schüler war zuvor fälschlich des Diebstahls bezichtigt worden.

In der Folge erklärten Hunderte von Polizisten ihre Solidarität mit dem Todesschützen und forderten seine Freilassung mit der Begründung, es habe sich um einen "Unfall" gehandelt. Die Polizeiführung präsentierte der Öffentlichkeit einen anderen Beamten als Täter - um die "Persönlichkeitsrechte des Angeklagten" zu wahren, wie sie betonte, nachdem der Schwindel aufgeflogen war. Nach einem Tag Haft wurde der Zivilfahnder gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.

Offiziell geleugnet oder zumindest heruntergespielt werden die Verbindungen zwischen Polizei und nationalistischen und faschistischen Organisationen. Dabei gelten vor allem die Sondereinsatztruppen MAT und EKAM als Sammelbecken für Mitglieder solcher Formationen.

Jüngstes Beispiel: Als am 30. Oktober Rechtsextremisten die Teilnehmer einer griechisch-türkischen Wirtschaftstagung angriffen, schauten die zum Schutz der Tagung abgestellten EKAM-Beamten erstmal nur zu. Zehn Tage später tauchte der Videofilm einer faschistischen Gedenkfeier zu Ehren der 1974 gestürzten griechischen Militärjunta auf. Auf den Bildern ließ sich der Einsatzleiter vom 30. Oktober zusammen mit dem Polizeipräsidenten von Thessaloniki und anderen MAT- und EKAM-Beamten bewundern. Neben wildem In-die-Luft-Geballere zeigte der Film auch die "Zwangstaufe" eines nackten Mannes, der vermutlich albanischer Herkunft ist.

Um den Korruptionssumpf in der Polizei trockenzulegen, hat Staatsanwalt Gerakis weitere Untersuchungen angekündigt. Die Regierung unter dem Sozialdemokraten Kostas Simitis betont unbeirrt, es handele sich lediglich um einzelne schwarze Schafe in der Polizei.