Kleines Wahlpräsent

Seit Mumia Abu-Jamals Hinrichtung wieder näherrückt, freut sich die Polizeigewerkschaft FOP

Ganze 72 Seiten haben die sieben Richter am Obersten Gerichtshof von Pennsylvania vollgeschrieben, um zu begründen, daß es 1982 in dem Mordprozeß gegen Mumia Abu-Jamal keine Verfahrensfehler gegeben habe.

Auch die für alle Beobachter deutliche Voreingenommenheit von Prozeßrichter Albert Sabo sowohl im Prozeß 1982 als auch bei der Anhörung für ein neues Verfahren 1995 - bei der er unter anderem Abu-Jamals Anwälte mit Geldbußen und Haftstrafen belegte - sahen die obersten Richter nicht bestätigt. Sabo habe sich korrekt verhalten und höchstens emotional auf Provokationen von Abu-Jamals Verteidigern reagiert. Sämtliche von der Verteidigung präsentierten neuen EntlastungszeugInnen hielten die Obersten Richter für unglaubwürdig.

Für Abu-Jamals Chefverteidiger Leonard Weinglass, der umgehend eine erneute Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof beantragte, ist der Richterspruch vor allem eine "politische Entscheidung". Außerdem handelt es sich nach Ansicht des Rechtsanwaltes um "ein Wahlgeschenk an die Polizeigewerkschaft Fraternal Order of Police". Einer der sieben obersten Richter hatte zuvor eingestanden, Wahlkampfspenden von der FOP erhalten zu haben. Auch andere Richter, so Weinglass, hätten Spenden von der Gewerkschaft erhalten.

Die FOP zeigte sich erfreut über die Entscheidung, das Todesurteil gegen Abu-Jamal wegen Mordes an einem Polizisten aufrecht zu erhalten. Und Generalstaatsanwältin Lynn Abrahams sagte, sie nehme das Urteil mit Befriedigung zur Kenntnis.

Abu-Jamals UnterstützerInnen betonten hingegen, daß der Richter Ron Castille schon 1982 als Staatsanwalt in Abu-Jamals erstem Prozeß aufgetreten war. Deswegen könne Castille "nicht unbefangen über Verfahrensfehler" urteilen, wie Ramona Africa von einer Unterstützungsgruppe gegenüber Jungle World erklärte.

Weinglass und Africa befürchten, daß Pennsylvanias Gouverneur Tom Ridge schon bald einen neuen Hinrichtungsbefehl für Abu-Jamal unterzeichnen wird. Der Republikaner Ridge wurde bei den Wahlen am 3. November mit einer Mehrheit von 57 Prozent der Wählerstimmen im Amt bestätigt. Er hatte bereits angekündigt, seine Unterschrift bei einer sich bietenden Gelegenheit zu leisten.

Der Gouverneur von Pennsylvania ist verpflichtet, spätestens 30 Tage nach einer entsprechenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs einen Hinrichtungsbefehl zu unterschreiben und ein Hinrichtungsdatum innerhalb von 60 Tagen festzulegen. Das entsprechende Gesetz hatte Ridge am Anfang seiner Amtszeit selbst eingebracht, damit künftige Gouverneure keine Exekutionen verhindern können, indem sie sich einfach weigern, Hinrichtungsbefehle zu unterschreiben. Sollte dieser Fall dennoch eintreten, gestattet das Gesetz es dem Chef der Gefängnisbehörde, anstelle des Gouverneurs zu unterschreiben.

Sollte es einen neuen Hinrichtungsbefehl geben, will Rechtsanwalt Weinglass dessen Aussetzung vor einem Bundesgericht beantragen. Ein Bundesgericht soll auch über Abu-Jamals Wiederaufnahmebegehren entscheiden. Eigentlich steht Abu-Jamal die Anhörung vor einem Bundesrichter zu. "Vorher darf Mumia nicht hingerichtet werden", erklärte Weinglass. "Im jetzigen Stadium muß ein Bundesrichter den Hinrichtungsbefehl aussetzen." Allerdings seien die Korrekturmöglichkeiten der Bundesgerichte gegenüber der untergeordneten Landesebene durch eine 1996 in Kraft getretene Gesetzesänderung stark eingeschränkt worden.

Nachdem das Verfahren nun schon 16 Jahre lang die Gerichte in Pennsylvania beschäftigt, könnte es auf Bundesebene eine Sache von nur wenigen Monaten sein, bis die letzte Berufungsmöglichkeit ausgeschöpft ist und ein Hinrichtungsbefehl vollstreckt wird.

Die Proteste gegen die Entscheidung ließen nicht lange auf sich warten. Rund 5 000 Menschen gingen am 6. November in Philadelphia gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs auf die Straße. Die Demonstration in Philadelphia war die größte der vielen Protestaktionen in den USA, mit der Abu-Jamals UnterstützerInnen auf die Gerichtsentscheidung reagierten. Zuvor hatte es in San Francisco eine Demonstration mit etwa 1 000 TeilnehmerInnen gegeben.

Auch in Hamburg, Berlin und Köln gab es Protestkundgebungen, hier vor den Konsulaten der USA. Und die bundesweite Koordination der Mumia-Soligruppen plant weitere Aktionen: Zwischen dem 9. Dezember - dem 17. Jahrestag von Abu-Jamals Verhaftung - und dem 12. Dezember soll eine Aktionswoche stattfinden. Ein Sprecher des Berliner Solikomitees forderte außerdem VertreterInnen der rot-grünen Koalitonsregierung auf, sich bei der US-Regierung und dem Gouverneur Ridge für ein neues Verfahren und gegen die Todesstrafe einzusetzen. Protestfaxe an Gouverneur Tom Ridge bzw. an Bundesjustizministerin Janet Reno werden unter den Nummern 001-717-7834429 und 001-212-5144371 entgegengenommen.