Mission vereitelt

In Stuttgart verhinderten ein katholischer Bischof und ein evangelischer Pfarrer das Wanderkirchenasyl

Der Versuch sollte scheitern: Schon seit Mitte Januar kämpfen illegalisierte kurdische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen (NRW) mit der Aktion "Wanderkirchenasyl" gegen ihre Abschiebung. Nun wollten sie ihre Initiative auf ein anderes Bundesland ausweiten, wenn auch nur auf beschränkte Zeit. Doch daß sich die Delegation von zwölf Männern und zwei Frauen ausgerechnet Stuttgart als Ziel gesetzt hatten, um für zwei Wochen im Kirchenasyl unterzukommen, machte die Sache schwierig. Denn im CDU-regierten Ländle weht ein anderer Wind als am Niederrhein. Keine fünf Tage konnten die Kurden und Kurdinnen bleiben, ehe sie am Montag vergangener Woche aus der Schwabenmetropole flüchten mußten.

Dabei hatte sich alles ganz gut angelassen. Nicht nur die Initiative "Kein Mensch ist illegal", auch die Gewerkschaften HBV und IG Medien unterstützten die Aktion - obwohl das Vorgehen, wie HBV-Vertreter Kuno Hägele einräumte, "durchaus umstritten" gewesen sei. "Aus christlichem Selbstverständnis" hatte der katholische Pfarrer Reinhold Hübschle von der St. Martins-Gemeinde im Ortsteil Bad Cannstatt Räume zur Verfügung gestellt. Und auch von Seiten der Ordnungshüter kam zunächst ein Signal der Entspannung: Der stellvertretende Polizeipräsident pfiff zwei seiner Beamten, die am zweiten Tag in die kirchlichen Räume kamen, um die Flüchtlinge zu überprüfen, wieder zurück. Solange kein Amtshilfeersuchen aus NRW vorliege, würden die Asylsuchenden unbehelligt bleiben, erklärte er.

Das änderte sich schnell. Denn am Sonntag, dem Tag des ausländischen Mitchristen, hielt Walter Kasper, Bischof der Diözese Rottenburg, eine Predigt, die es in sich hatte. Zum Thema hatte er sich das Kirchenasyl gewählt, mit dem die Kirche "keinen rechtsfreien Raum beanspruchen" solle, sondern "lediglich Härtefälle würdigen" wolle. Und die seien in diesem Falle eben nicht gegeben, machte das bischöfliche Ordinariat wenige Stunden später deutlich: Das "Wanderasyl" sei eine reine Propaganda-Aktion. Konsequent stellte Kaspers Behörde den Flüchtlingen ein Ultimatum: Bis zum folgenden Abend hatten sie die Räume zu verlassen.

Die Botschaft fand auch im Landesinnenministerium Gehör. "In Baden-Württemberg werden keine rechtsfreien Räume geduldet", zitierte Minister Thomas Schäuble den Bischof und griff die Gewerkschaften wegen deren Einladung an.

Schützenhilfe erhielten Schäuble und Bischof Kasper vom evangelischen Pfarrer Werner Baumgarten. Kaum waren die Flüchtlinge in Stuttgart angekommen, sprach sich Baumgarten in seiner Funktion als Sprecher des AK Asyl gegen das Wanderkirchenasyl aus. Den Aktivisten von "Kein Mensch ist illegal" ist der Pfarrer schon lange ein Dorn im Auge. Initiativenvertreter Christoph Gommel: "Immer wieder hat Baumgarten dazwischengefunkt."

So beispielsweise, als im Mai Flüchtlinge in einer Asylbewerberunterkunft in einen Essensboykott getreten waren. Weil sie die spontanen Aktionen unterstützt hatte, handelte sich "Kein Mensch ist illegal" von Baumgarten den Vorwurf ein, die Flüchtlinge aufgewiegelt zu haben. Auch bundesweit ist der AK Asyl-Sprecher kein Unbekannter. So wirft er dem Vorsitzenden des Vereins "Asyl in der Kirche", Martin Rapp, vor, er spalte die Bewegung. Der Kölner Rapp zählt zu den Initiatoren des Wanderkirchenasyls, das im Januar in der Domstadt seinen Anfang nahm.

Unter diesen Voraussetzungen mußten die aus Nordrhein-Westfalen angereisten Flüchtlinge tatsächlich mit einer Festnahme rechnen. Nachdem dann die Kirchengemeinde einen Rückzieher gemacht hatte, mußten die Flüchtlinge zwei Stunden vor Ablauf des Ultimatums Stuttgart wieder verlassen. "Daß dies auch noch am sechzigsten Jahrestag der Reichspogromnacht geschah", kritisierte Werner Pfennig von den IG Medien, "zeigt ein Übermaß an Geschichtslosigkeit und mangelnder Lernfähigkeit". Auch Baumgarten habe mit seiner öffentlich bekundeten Ablehnung dem Innenministerium noch ein Alibi zum Eingreifen gegeben. Pfennig: Ein Vertreter der Behörde habe sich ausdrücklich darauf berufen.

Bei den Aktivisten aus NRW wird man nun neu nachdenken müssen, um auch in anderen Bundesländern einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Der Erfolg am Niederrhein spricht für sich: Rund 230 Menschen konnten sich dort bislang durch das Wanderasyl vor der Abschiebung schützen, 68 Kirchengemeinden setzen sich für die Aktion ein. Dem wollte Bischof Kasper offenbar rechtzeitig einen Riegel vorschieben.