IG Metall streikt doch nicht

Nichts als Eimer um die Ohren

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Schade eigentlich. Nach der Schlichtung in der Metallindustrie kommt es am 25. Februar doch zur zweiten Runde des ominösen Bündnisses für Arbeit. Für den Fall eines Streiks in der Metall- und Elektroindustrie hätten sich die Unternehmerverbände aus dieser ungeliebten Männer-plus-eine-Frau-Runde zurückgezogen. Das Bündnis wollen sie nämlich nicht wirklich und suchen nur nach Gründen, sich elegant aus der Affäre zu ziehen.

Was sollen sie auch dort? Das Bündnis dient dem geneigten Publikum lediglich als Schauveranstaltung: Nach dem Motto, "Seht her - wir tun etwas", schickt sich der große Moderator Gerhard Schröder an, Placebo-Pillen unters Volk zu werfen. "Arbeit, Arbeit, Arbeit" steht auf der Verpackung.

Nun haben sich ein paar Jungs in der Böblinger Sandkiste die Eimerchen um die Ohren gehauen und unter Anführung des Oberspielleiters Hans-Jochen Vogel den Buben Hundt, Henkel und Stihl ihre Rückzugspläne verdorben. Jetzt muß man wieder mit dem Kanzler in die Bündnis-Sandkiste. Die Beschäftigten in der Metallindustrie rollen ihre Transparente und roten Fahnen zusammen, die Ganzkörperkondome mit dem IG Metall-Logo bleiben im Karton.

Was da in Böblingen abging, war ein erbärmliches Ritual. Als würden sie das ganze Jahr auf diesen einen Moment hinarbeiten, trafen sich Arbeitgeber und Gewerkschaftsfunktionäre zum Showdown, um sich die Argumente - respektive die Eimerchen - um die Ohren zu hauen. Was soll das Ganze? Jedes Hütchenspiel in jeder x-beliebigen Fußgängerzone ist ehrlicher als das jährliche Tarifritual!

Daß dann auch noch die Gesetze der Mathematik außer Kraft gesetzt werden, daran hat man sich fast schon gewöhnt. Jede Seite hat die gleichen Zahlen und kommt doch - dank unterschiedlicher Berechnungsansätze - zu einem anderen Ergebnis. "Ein ordentlicher Tarifvertrag scheut das Tageslicht" verkündete kurz nach Mitternacht ein IG Metall-Sprecher, um das Ritual zu begründen. Warum das so ist, ist simpel: Bei Lichte betrachtet sind Tarifabschlüsse immer faule Kompromisse.

Es ist mittlerweile kaum noch vermittelbar, was die nächtlichen Tarifrunden sollen. Den Verbandsfunktionären dienen sie lediglich zur Selbstdarstellung. Man versucht sichtbar zu machen, daß man wichtig ist. Ein Ereignis - gut 15 Jahre her - entlarvte die Wichtigtuerei: Im Vorfeld der Tarifauseinandersetzung in der Bauindustrie sagten beide Seiten, dies werde die allerschwierigste Tarifrunde aller Zeiten. Bei der entscheidenden Sitzung war man sich nach gut einer Stunde handelseinig.

Dann hieß es, nach dem Theaterdonner im Vorfeld kann man nicht so schnell vor die Presse gehen, das nimmt einem niemand ab. Also wurde die ganze Nacht Skat gespielt und Bier getrunken. Gegen fünf Uhr in der Frühe probten die Herren vor dem Spiegel das verkniffene Gesicht und gingen nach draußen: Bis zuletzt habe man um jedes Zehntel gerungenÖ

Diese Geschichte erfuhr der Chronist, nachdem einer der Verhandlungsführer in den Ruhestand getreten war. Selbst wenn sie unglaubwürdig klingt, könnte sie sich so abgespielt haben. Die Gewerkschaften wollen nicht wirklich kämpfen. Täten sie das, müßten sie bald die kapitalistische Wirtschaftsordnung in Frage stellen.

Weil die Gewerkschaftsfunktionäre aber Teil des Systems sind, können sie gar nicht anders handeln, als sie tun. Das wiederum hat aber auch etwas mit den Mitgliedern zu tun. Und das ist das eigentlich Traurige: Die Mitglieder nähren und kleiden die Funktionäre, lassen sie in teuren Autos mit Chauffeur rumkutschieren und ermöglichen ihnen einen relativ guten Lebensstandard. Dann heißt es wieder: "Die Gewerkschaft müßte mal..." und nicht "Wir tun was" - mit dem Ergebnis, daß der Stellvertreteranspruch der Gewerkschaftsfunktionäre befördert wird. Solange sich die Mitglieder nicht ihrer eigenen Gewerkschaften bemächtigen, hauen sich die Kontrahenten noch lange die Eimerchen um die Ohren.