Grand Prix-Vorentscheid

So wird das wieder nichts

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"Die Songs beim Grand Prix d'Eurovision", erklärt Georg Uecker ("Lindenstraße", "anders trend") die Idee des europäischen Schlagerwettbewerbs, "soll ja der anatolische Bauer genausogut verstehen wie die deutsche Metropolen-Tunte." Und genau das haben die deutschen Bewerber bei der Vorausscheidung vergangenen Freitag beherzigt, aber was dargeboten wurde, war so grausam wie ehedem, trotz und wegen einiger Klischee-Farbtupfer.

Der Moderator bemühte sich zwar redlich, das Schreckliche als wahlweise multikulturellen oder pop-jugendlichen Hype zu verkaufen, die Strategie der ganzen, naja: Show war jedoch von offensichtlicher Peinlichkeit: Nachdem der Branche in den letzten Monaten klargeworden sein muß, daß es international keine Punkte bringt, den Deutschen so zu zeigen, wie er ist, eben als Guildo Horn, sind die Talentsucher ausgeschwärmt, um eine breite Palette an Minderheits-Repräsentanten vorzeigen zu können. Das sollte nicht nur die europäische Schlagerwelt beeindrucken, sondern auch den deutschen Ted-Teilnehmer rühren. Wenn es auch noch Probleme mit dem Doppel-Paß gibt: "Herz in Not, wann sehen wir uns wieder?" (Wind)

Ungerecht ist die Welt allemal, darum sollte sie der deutsche Grand Prix-Vorentscheid dieses Jahr ein wenig besser aussehen lassen. Und so wurde aus der "blinden Sängerin" Corinna May (B.Z.) die "blinde Siegerin" (B.Z.), doch - "viele sind glücklich, aber viele auch allein, morgen kann schon alles anders sein" (Patrick Lindner) - bereits wenige Tage später folgte Ernüchterung, ja bittere Enttäuschung. Das Lied war geklaut und ging gar nicht in Ordnung: 1997 auf einem Sampler veröffentlicht, damit kein Erst-Beitrag und als Wettbewerbs-Titel ungültig. Drama perfekt! Kleines betrogenes Mädchen versus böser Manager-Bub. "Oh, boy, you drive me crazy with the games you play" (Naima).

Doch: Überraschung! Deutschland hat jetzt als Nachrücker die deutsch-türkische Band Sürpriz: "Dynamischer Multikulti-Pop, ganz Europa wird mitgehen" (B.Z.). Ethno-Pop made in Germany goes Jerusalem, und alle vertragen sich, denn "Frieden ist halt mehr als nur ein Spiel, bei dem nur einer gewinnt" (Sürpriz). Obwohl der deutsche Grand Prix-Beitrag diesmal zumindest optisch sehenswerter und nicht so verschwitzt ist wie vergangenes Jahr, ist er doch wieder nur die langweilige Karikatur der Neuen Mitte.

Sowieso mutet sich der deutsche Schlager seit neuestem schwerfällige Botschaften zu, die die frühere Nicole-Ein bißchen-Frieden-Schüchternheit mutig in Frage stellen. Megas doubelten TicTacToe - "exotische Schönheiten" (B.Z.) dürfen (neu! neu!) auf Englisch singen. "Du bist wohl nicht ganz dicht, ey, es geht jetzt leider nicht, ey!" (Megas) Und weiter geht's, diesmal männlich: "Weinen werde ich nicht, ich sing's dir einfach in's Gesicht" (Michael von der Heide).

Auch Corinna May zeigte allen, wo es langgeht: Sie "läßt sich aber dadurch nicht unterkriegen. Sie will auf jeden Fall am 29. Mai nach Jerusalem reisen - als Zuhörerin." (B.Z.) Toll! Junge Wilde, die sich nichts mehr gefallen lassen - Nachwuchs für die CDU. "Hear my call, it can't be loud enough" (Cathrin) Für Innovation und Tradition stand auch ein Elvis Presley-Verschnitt namens Elvin ein, der ein bißchen Klavier spielte und bewies, wie weich der neue deutsche Mann sein kann.

"Aus, Schluß, vorbei, ich kann so was nicht ertragen" (Jeanette Biedermann).