Alternative Lebensformen

Der dritte Weg

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Der Hausmeister ist eine Marke. Hausmeister sein ist schon gut, und Hauswart wird er in Berlin gerufen, weil es nichts zu meistern gibt und viel zu warten, und weil das so angenehm nach Blockwart klingt und der Berliner es schätzt, wenn man an die große Vergangenheit anknüpft.

Meiner ist auch so einer. Er heißt Rainer, hat einen Schnauzbart, war früher beim Wachdienst und trägt Schnellfickerhosen. Und natürlich hat er einen Schäferhund, der kaum zu bändigen ist und der mit seinem Herrchen in einem ewig schattigen Loch, Erdgeschoß, Hinterhaus, wohnt.

Na jutie, jedenfalls ist dieser Hauswart wie alle Hauswarte absolut cool, die in diesem Job nicht eine Mission sehen, sondern einfach eine Geldquelle. So führt er des Sommers seinen Hund in den Hinterhof, bespritzt ihn mit Wasser, benimmt sich wie ein Fünfjähriger und - findet das nicht peinlich. Außerdem putzt er nur sehr selten das Treppenhaus, obwohl er das muß, und wenn aber doch, dann mit einem Putzmittel, das riecht, als sei es seit 1960 als Waffe geächtet. So weit, so normal. Ein Leben, das so verläßlich zwischen Job, Fernseher und Zeitungkaufen pendelt wie eine U-Bahn von Endstation zu Endstation.

Ungefähr vor vier Monaten brach für Rainer dieser Traum von einem Leben in sich zusammen. Seine "Alte", was meint: seine Lebensgefährtin, deren gleichfalls bissiges Kalb von einem Kampfhund er Abend für Abend und Sommer für Sommer zusammen mit seinem besten Freund ausgeführt und naßgespritzt hatte, diese Kameradin im Geiste hatte ihn verlassen. Alles Kindliche wich aus dem Mann und wurde durch nichts ersetzt. Das verbliebene Vakuum versuchte er so gut es ihm gelang mit Schultheiß Pilsener aufzufüllen. Ein Elend.

Warum sie ihn verließ? Keine Ahnung. In der Öffentlichkeit behandelten sich die beiden nicht schlecht. Vielleicht haben sie sich einfach nur auseinandergelebt. Für ihn schien auch weniger der Verlust dieser Frau dramatisch als vielmehr die rapide Veränderung in seinem Leben. Morgens ermahnte ihn niemand, sich zu kämmen. Wollte er sich abends bei Chips und Fernsehen an jemanden kuscheln, fiel er zur Seite. Wenn er geil war, hatte niemand Kopfschmerzen.

Wie gesagt, mein Hauswart verfiel. Soweit der unbeteiligte Mieter dies kann, beobachtete ich ihn mit wachsendem Mitleid - auch Selbstmitleid, da ich merkte, daß dieser dritte oder siebte Weg alternativ zum bösen Leben auch nicht weit führt.

Doch habe ich mich getäuscht: Als ich ihm gestern begegnete, trollte er zufrieden mit seinem Hund über den Hof und daneben trollte ein zweiter, kleiner, unbissiger und vollständig blöder Schoßhund herum. "Wer is'n der?" wagte ich betont unstudentisch zu fragen. Da lächelte er breit: "Andere Frauen, andere Hunde."

Vielleicht ist's ja doch was, das mit dem Stumpfsein.