Jimi Tenor: "Organism"

Verraten und verkauft

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Jimi Tenor hat mit Prince nicht viel gemeinsam. Er sieht mit Hornbrille und Seitenscheitel eher aus wie Andy Warhols kleiner Bruder. Und auch die Musik, die er macht, hat mit dem Mann, den man jetzt nicht mehr Prince nennen darf, nicht viel zu tun. Aber Jimi Tenor wäre gerne ein bißchen wie er: ein Gesamtkunstwerk, bei dem alles, was er sagt, eine Bedeutung hat.

In einem Interview mit der Musikzeitschrift Intro bemerkte Jimi Tenor einmal: "Ich gehöre zu der Fraktion, die mit Altem und Vertrautem spielt und dabei gerne auch zeigt, wie billig Musik funktioniert. Es gibt da nichts Geheimnisvolles, nichts Bewundernswertes - all das ist Bluff. Vielleicht ist das ja mein wichtigstes Statement: Musik wird überbewertet." Auch Jimi Tenors Musik, und vor allem sein neues Album "Organism".

Der Rolling Stone findet Tenors "Nicht-Gesang" sympathisch und "Organism" "ein verzauberndes Déjˆ-Vu". Visions meint, die "bodenlos frechen Zitate" hätten "etwas sehr Befreiendes". Zitiert werden bekannte Soul- und Gospel-Melodien und Science-Fiction-Soundtracks, die an Raumpatrouille Orion oder Flash-Gordon erinnern und einen Trash-Kult heraufbeschwören. Er bedient sich aller Genres aus den letzten Jahrzehnten der Musikgeschichte und will schon Abgestorbenem mit "Organism" neues Leben einhauchen.

Vor zwei Jahren landete der Finne mit der Single "Take Me, Baby" einen Hit. Das Album "Intervision" war dabei alles andere als hitverdächtig, ruhig, ein bißchen schräg, aber leicht zu hören. Erstaunlich an ihm war, daß er mit elektronischer Unterstützung komponierte, alle Instrumente aber auch selber spielen konnte. Einmal aufgenommen, fiel es ihm schwer, sein Repertoire live so zu präsentieren, wie es das Publikum vom Tonträger gewohnt war. Ständig improvisierte er und durchbrach dabei die aufgebaute Ordnung sofort wieder. Über sich selbst sagte er, seine Musik sei wie "Kartoffelbrei mit Rentiersteak und Bratensaft".

Diesmal hat sich Jimi Tenor selbst eingeholt. Er wollte es allen zeigen und alle so richtig verarschen, indem er ein bißchen wie James Last klingt, ein bißchen wie Barry White, ironisierend und mit Bass unterlegt, versteht sich. Wer ihn ernst nehme, heißt es, der habe ihn nicht verstanden. Der habe auch keinen Humor, denn Jimi Tenor sei doch so witzig.

"Intervision" war ein Aufbegehren, ein Album, das Jazz - elektronisch aufbereitet - wieder populär und tanzbar machte. Man durfte auch mal ausflippen, anstatt immer nur leicht mit den Hüften zu schwingen. "Organism" dagegen ist glatt und eindeutig, Saxophon und Keyboard spielen brav und wohltemperiert. Tenor haucht ins Mikrophon: "My mind is an open book for you, honey / You can read me as you like."

Das kann alles oder nichts bedeuten. Oder es ist nur der Versuch, sich einer Bewertung zu entziehen, weil er ja nur eine Art Helge Schneider ist, der über sich lacht, aber an seine Musik glaubt. Und "Organism" ist denn auch kein Witz, sondern wirklich discotauglich und vermeintlich schrill wie Siebziger-Jahre-Partys.

Was Jimi Tenor sagt, hat nichts zu bedeuten, und was er spielt, hat auf dem Weg vom Underground zu einer Story in Vogue seine Ideen und Originalität verloren. Er ist verraten und verkauft, ausgeschlachtet und vermarktet. In der ersten Single "Year of the Apocalypse" hieß es: "We got a party / We will have good fun." Mit Sicherheit auch ohne Jimi Tenor.

Jimi Tenor: "Organism" (Warp/Rough Trade)