»Ich hoffe, daß es ein Protektorat gibt«

Teodora Tabacki ist Vorstandsmitglied der jugoslawischen Socjal Demokratska Unja

Nach den Luft-Angriffen der Nato hat die jugoslawische Armee eine neue Offensive im Kosovo eingeleitet, Zehntausende Kosovo-Albaner sind auf der Flucht. Dabei behauptet das Militärbündnis weiterhin, mit den Bombardements eine "humanitäre Katastrophe" zu verhindern.

Das denke ich nicht. Auf lange Sicht werden die Angriffe das Regime sogar noch stützen. Und natürlich werden die "ethnischen Säuberungen" im Kosovo weitergehen, ebenso wie die "inneren Säuberungen" in Serbien. Möglichkeiten, sich offen gegen den Kurs Milosevics auszusprechen, gibt es nicht mehr; wir Oppositionelle rechnen mit einer Hexenjagd.

Einer der drei Führer des 1997 zerfallenen bürgerlichen Oppositonsbündnisses Zajedno, Zoran Djindjic, geht davon aus, daß Milosevic am Ende doch noch einlenken wird. Die Nato-Truppen, die dann im Kosovo stationiert sein würden - so Djindjic -, könnten auch der serbischen Opposition helfen, "Milosevic loszuwerden".

In diesem Punkt würde ich ausnahmsweise einmal mit Djindjic übereinstimmen. Doch was darüber nicht vergessen werden darf: Durch den Abzug der OSZE-Beobachtermission und der ausländischen Journalisten aus dem Kosovo haben wir absolut keine Möglichkeit, an Informationen über die Lage im Kosovo zu gelangen

Das Holbrooke-Milosevic-Abkommen vom Oktober letzten Jahres sah die Entsendung von 2 000 Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in das Kosovo vor. In sechs Monaten jedoch wurden gerade einmal 1 400 Verifikatoren in die Provinz entsandt. Wäre ein Militäreinsatz nicht überflüssig gewesen, ein Verhandlungsergebnis längst erzielt, wenn der Westen stärker auf diese zivile Option gesetzt hätte?

Ja, das wäre möglich gewesen. Doch es ist schwierig, sich vorzustellen, wie man Milosevic zu einer Unterschrift bewegen kann. Deshalb glaube ich zwar nicht, daß Luftschläge der richtige Weg sind - gleichzeitig sehe ich aber auch keinen anderen.

Das Abkommen von Rambouillet sieht vor, daß in drei Jahren eine Art Referendum über den künftigen Status der Provinz stattfinden wird. Bis dahin wird die Frage nach Unabhängigkeit des Kosovo offengelassen. Geht der Krieg dann nicht einfach weiter?

In drei Jahren dürfte Zeit bleiben für die kosovo-albanische Seite wie für die serbische, Lösungen zu finden.

Sie gehen also davon aus, daß Milosevic dem in Rambouillet verhandelten Abkommen zustimmen wird.

Er muß es tun. Ich bin mir nur nicht sicher, was ihn dazu zwingen wird: Ob es "nur" die Zerstörung von Infrastruktur ist - oder noch härtere Schläge.

Eine Option, die in der letzten Woche ins Spiel gebracht wurde, ist die Teilung des Kosovo - ein Teil bleibt bei Serbien, der größere wird unabhängig oder geht an Albanien.

Ich halte das nicht für realistisch: Schon eher könnte eine Lösung wie in Bosnien gefunden werden: zwei "Entitäten" also, eine kosovo-albanische und eine serbische; aber die Provinz bleibt autonomer Bestandteil Serbiens.

Während des Bosnien-Krieges agierte - in Kroatien wie in Jugoslawien - eine Anti-Kriegsbewegung. Sind solche Aktivitäten heute überhaupt noch möglich?

Die Möglichkeit, sich öffentlich gegen den Krieg zu äußern, besteht zur Zeit nicht. Dennoch sind wir weiter aktiv - wir sind noch nicht alle weg. Und wir hoffen, unter neuen Bedingungen weitermachen zu können.

Wird sich die Situation für die Opposition gegen Milosevic denn verbessern, wenn die Luftschläge vorbei sind und eine Nato-Truppe im Kosovo erst einmal installiert ist?

Mit der Entsendung von Truppen, glaube ich, verbessern sich auch unsere Perspektiven: Die Wahlen im ganzen Land könnten genauer überprüft werden; sicherlich müßten auch einige Leute von der politische Bühne entfernt werden. Das heißt, das Den Haager Tribunal könnte Kriegsverbrecher festnehmen lassen. Und dann würde es die "internationale Gemeinschaft" möglicherweise schaffen, einen neuen Dodik (vom Westen unterstützter, sozialdemokratischer Ministerpräsident der bosnisch-serbischen Republika Srpska; M.B.) für Serbien zu erfinden - auch wenn der natürlich nie repräsentativ für die Bevölkerung stünde. Ohne Truppen - nicht Kampf-, sondern Entwaffnungstruppen -, glaube ich, ist die Opposition dem Untergang geweiht. Ich hoffe deshalb wirklich, daß es ein Protektorat gibt.