Schernikaus Legende

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Obwohl wir außer uns so gut wie niemanden kennen, der nicht schon mal ein Buch veröffentlicht hat, soll es hier und da sogar unverlegte Schriftsteller geben. Gucken Sie nicht so skeptisch, das kommt, wenn auch äußerst selten, wirklich vor: Ronald M. Schernikau z.B., der es mit der Coming-out-Geschichte "kleinstadtnovelle" als 19-jähriger auf drei Auflagen und in den Spiegel brachte, wollte partout nicht "kleinstadtnovelle 2" schreiben, sondern arbeitete unermüdlich an einem großen Roman über Götter, die auf die Insel (Westberlin) inmitten des Landes der Zukunft (DDR) hinabsteigen, um nach dem Rechten zu sehen. Als Schernikau, der zwischenzeitlich DDR-Bürger geworden war, den Roman im Herbst 1991 abschloß, umfaßte er gut 700 Druckseiten. Zwei Wochen danach verstarb der Autor an den Folgen von Aids. Er wurde 31 Jahre alt.

Das Skript boten seine Freunde beharrlich feil, doch die bürgerlichen Verlage mochten vermutlich den politischen Plot nicht, die linken fanden höchstwahrscheinlich Schernikaus Ästhetik - eine wilde Mischung aus Bibel und Bitterfelder Weg - unverdaulich. Knef und Kollontai, Partei und Pop, das ist zuviel für unsere braven Linken. Wie auch immer, niemand wollte "legende" - das ist der Titel von Schernikaus Buch - verlegen. So wurde dem Publikum der wohl ungewöhnlichste DDR-und-BRD-Roman vorenthalten; die DDR, von einer zum Untergang verurteilten BRD aus gesehen, über der sich ein kommunistischer Himmel wölbt. Niemand durfte das lesen, obwohl "legende" doch Das-zu-Lesende heißt.

Der kleine goldenbogen-Verlag aus Dresden versucht nun, den Text doch noch herauszubringen. Er will eine besonders ausgestattete und limitierte Erstauflage (pro Band DM 135) drucken lassen, sobald 500 Subskriptionen gezeichnet sind. Interessierte wenden sich an ddp goldenbogen, Weiße Gasse 6, 01067 Dresden, Tel. (0351) 490 65 33, Fax (0351) 490 65 34.