Friedensverhandlungen in Belfast

Irischer Watschentanz

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Es gebe "keinen Plan B": Wenn der Friedensprozess scheitere, dann sei man wieder da, wo man 1994 gestanden habe. Das war das Erste, was Tony Blairs Nordirland-Minister Peter Mandelson bei seiner Amtseinführung erklärte. Tatsächlich gibt es aber nicht nur einen, sondern mindestens fünf Pläne B, denn alle an den Gesprächen in Belfast beteiligten Parteien haben sich für den Fall des Scheiterns längst die Argumente zurechtgelegt, mit denen sie den anderen die Schuld zuschieben können.

Gerade darin zeigt sich jedoch, welchen Fortschritt der Friedensprozess bereits gebracht hat. Keine der an den Verhandlungen beteiligten einstigen Kriegsparteien möchte für ein Wiederaufflammen der Kämpfe verantwortlich sein. Immer wieder loben die Verhandlungsführer David Trimble (Ulster Unionist Party) und Gerry Adams (Sinn Féin) die Besonnenheit des jeweils anderen und betonen, sie hätten durchaus Verständnis für dessen Probleme mit gewissen Forderungen der Gegenseite.

Nach wie vor betrifft das vor allem die Frage einer Entwaffnung der IRA, die Trimble zu Beginn der Verhandlungen als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung der Sinn Féin genannt hat. Bis jetzt hat er stur an dieser Forderung festgehalten, während Adams betont, Sinn Féin könne der IRA nichts vorschreiben. Die wiederum weigert sich, die Waffen abzugeben, solange die unionistischen Paramilitärs nicht dasselbe tun.

Hinter jeder kleinen Geste wird jetzt immense Bedeutung gesucht. Als letzte Woche zwei betrunkene britische Soldaten am Feierabend in einem katholischen Viertel Belfasts herumpöbelten, wurden sie zwar wie in alten Zeiten ins Büro des örtlichen IRA-Kommandanten verschleppt. Anstatt einer Hinrichtung oder eines Knieschusses erwartete sie dort jedoch nur ein Satz kräftiger Ohrfeigen; anschließend wurden sie wieder ausgesetzt. Die Regierung in London zeigte sich hocherfreut, die Presse jubelte: Die IRA habe ihre Entschlossenheit gezeigt, den Frieden zu halten.

Akute Gefahr droht dem Friedensprozess in dieser Atmosphäre gespannter Entspannung weniger von den am Verhandlungstisch versammelten Parteien als von den Ultras, aktuell besonders von den republikanischen. Als Mitte Oktober Kriminelle in Dublin einen Aktivisten der Irish National Liberation Army (INLA) ermordeten, wurden sofort Befürchtungen laut, die Gruppierung, die in der Vergangenheit für zahlreiche Morde und Guerilla-Aktionen verantwortlich war, zuletzt aber den Friedensprozess unterstützte, könnte den bewaffneten Kampf wieder aufnehmen. Nein, nein, beeilte sich die INLA-Führung zu beteuern: Den Mörder und seine Mittäter werde man zwar "hinrichten", an den Waffenstillstand fühle man sich aber weiterhin gebunden.

Beunruhigender ist der Fund, den Polizisten der Republik Irland kürzlich in einem verlassenen Bauernhaus 30 Kilometer nördlich von Dublin machten: In einem als Schießplatz ausgebauten ehemaligen Weinkeller nahmen sie dort zehn Mitglieder der Real IRA fest, jener IRA-Abspaltung, die im August letzten Jahres im nordirischen Omagh 29 Menschen ermordete. Außerdem wurden auf der Farm ein schweres Maschinengewehr, ein Raketenwerfer aus russischer Produktion, 36 elektronische Bombenzünder sowie eine Bombe gefunden, die mehr als drei Kilo des Plastiksprengstoffes Semtex enthielt. Alles war zum sofortigen Einsatz vorbereitet.