Le Tigre

Social Dancing

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"Burn down the walls that say you can't" - Kathleen Hannah ist schon einmal unter dem Banner des radikalen Selbermachens gegen die Erstarrung des Gitarrensounds zu Felde gezogen. Bikini Kill hieß ihre Band, Kill Rock Stars ihr Label, Riot Grrl der Bezugsrahmen und die weibliche Aneignung der Männerdomäne Punk war das Ziel. Nun hat sie sich neue Mitstreiterinnen gesucht, und mit Le Tigre weiten sie ihre Kampfzone noch aus: Raus aus dem Stil-Klischee. Raus aus dem Rockband-Klischee. Es geht nicht mehr nur um die weibliche Aneignung eines Genres: Durch neue Formen und Technologien soll es am besten gleich ganz gesprengt werden.

Lange Zeit waren die USA die letzte Hochburg der lärmenden Gitarrenmusik. Elektronik galt dort eigentlich immer als europäische Verwirrung - als ein "you can't". Doch dieser Strukturkonservatismus in Kombination mit stetigem Bedeutungsverlust führt seit Jahren zu immer deutlicher sichtbarem Verfall. Alternde Männer igeln sich in ihren Sub-Szenen ein. Pop-Punk, Metal-Punk, Violent-Horror-Punk, Polit-Punk; es gibt viele Möglichkeiten, die selbstgeschaffene Nische zu betiteln. Und so vielschichtig der Riot Grrl-Ansatz im Unterschied zu den meisten anderen US-Nischen-Szenen war - auch dies lief auf Zersplitterung hinaus.

Le Tigre ist nicht nur Kathleen Hannah. Durch Sadie Benning und Johanna Fateman öffnet sich die Gruppe, um neue Formen zu finden, die über das Bandkonzept hinausgehen. Die lesbische Filmemacherin Benning dreht seit neun Jahren Videos, sie ist in der Queer-Culture-Szene ebenso aktiv wie in der Arbeit mit Jugendlichen. Fateman ist Künstlerin und Produzentin der Art-Zines Artaud-Mania und My need to speak on the subject of Jackson Pollock. So besteht Geistesverwandtschaft bei gleichzeitiger produktiver Differenz.

Doch auch musikalisch springt einen diese Offenheit geradezu an. Gleich das erste Stück "Deceptacon" lärmt mit Disco-Appeal; Sampler und DJ stehen gleichberechtigt neben Stimme und Gitarre. Obwohl viele der Songs klassische Love-Song-Strukturen haben, transportieren sie nicht deren typischen Inhalt, sondern etwas anderes: Da geht es um Freundschaft, Bücher, Ideen oder Filme. "What's your take on Cassavetes?" Zwar werden immer wieder ruhigere Momente des Nachdenkens eingeschoben. Trotzdem ist klar, dass hier ein neues Feld betreten wird. Und zwar voller Enthusiasmus und Tatendrang. In ihrer selbst geschaffenen Souveränität haben Le Tigre die Selbstverständlichkeit von Bubblegum-Pop. Poppiger Glamour direkt aus der heimischen Garage.

Le Tigre eignen sich industriell vorproduzierte Methoden an. Konzepte werden aufgegriffen, die ursprünglich designed wurden, um den vereinzelten Kosumenten anzusprechen. Genau diese Methoden stellen sie in ihren Kontext aus Wut, Sozialität und Fröhlichkeit. Sie bringen den sozialen Zusammenhang wieder auf die Tanzfläche. Auf zu neuen Formen des Social Dancing.

Le Tigre: "Le Tigre". Wiiija / Connected