Todesschüsse im israelischen Generalkonsulat

Notwehr

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Wer sich von einer Person bedroht sieht, der darf sie zur Not erschießen und geht dabei straffrei aus. Nett ist das nicht, aber so regelt es das Gesetz. Notwehr nennt sich das dann. Wobei es natürlich feine Unterschiede gibt, wie dieser Begriff ausgelegt wird. Als 1967 ein Berliner Polizist den wegrennenden Studenten Benno Ohnesorg erschoss, ging das in Ordnung. Nett war das zwar nicht, aber ein Fall von Notwehr - von "putativer Notwehr" genau genommen.

Anders im Februar dieses Jahres. Da ereignete sich ein typisches Beispiel von "keine Notwehr", so entschied vergangenen Mittwoch zumindest ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses: In der festen Überzeugung, dass immer dann, wenn etwas Böses passiert, der Israelische Auslandsgeheimdienst Mossad dahinterstecken muss, versuchten Anhänger des tags zuvor verhafteten und in die Türkei verschleppten Kurdenführers Öcalan das israelische Generalkonsulat in Berlin zu stürmen. Die wenigen Polizisten vor dem Gelände waren überrannt, die Tür aufgebrochen und einige Öcalans-Fans bereits im Gebäude, da erschossen die Sicherheitsbeamten der diplomatischen Vertretung vier Kurden. Nett war das nicht, Notwehr angeblich auch nicht, aber verständlich.

Das gewaltsame Eindringen in ein Generalkonsulat stellt einen Angriff dar, und auf Angriffe reagieren die Israelis nun mal nicht gerade mit Begeisterung, sondern mit Verteidigung. Das ist bekannt, selbst wenn es für deutsche Politiker wie beispielsweise die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses ungewohnt sein mag. Juden, so besagen deutsche Klischees, hauen entweder feige ab oder lassen sich wie die Lämmer zur Schlachtbank führen. Dass die Israelis gerade in Deutschland ihren Schutz nicht anderen überlassen, folgt ihren bisherigen Erfahrungen: Wie es ausgeht, wenn deutsche Polizisten Israelis beschützen, ist seit den Olympischen Spielen 1972 in München bekannt.

Und im Februar stellte die Berliner Polizei es erneut unter Beweis: Vom Bonner Innenministerium noch am Tag der Öcalan-Verhaftung ausdrücklich darauf hingewiesen, israelische Einrichtungen seien besonders zu schützen, weil die vermeintliche Mossad-Verwicklung via dpa in fast alle Medien gelangte - und die PKK und deren Anhänger sich für antisemitische Verschwörungstheorien durchaus empfänglich zeigten - meinte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky überaus engagiert: "Ja, ja, wir schützen die ganze Welt." Nett war das nicht, aber wenigstens ehrlich. Immerhin wurden die Polizeipräsenz vor dem Konsulat dann doch verstärkt: von zwei auf drei Beamte. Ähnlichen Tatendrang zeigte der Verfassungsschutz. Von einem V-Mann von dem geplanten Angriff auf die israelische Vertretung in Berlin unterrichtet, wurde ein Aktenvermerk gemacht und gemütlich abgewartet.

Nach den Schüssen war das Geschrei dann groß: Bundeskanzler Gerhard Schröder empörte sich, andere (ob er damit die Kurden oder die Israelis meinte, ließ er vorsichtshalber offen) dürften Ihre Konflikte nicht ins schöne Deutschland importieren, und der Berliner Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland war geradezu entrüstet, dass die Sicherheitsbeamten des Konsulats einfach mit ihren Diplomatenpässen ausreisten. Nett war das nicht, und warum die Justiz tatenlos zusah, verriet Wieland vergangene Woche: Am Israel-Bonus lag es. Aus Angst vor einer Belastung der diplomatischen Beziehungen hätten die Behörden gekniffen.

Was Wieland als Rechtsanwalt wissen müsste: Das Generalkonsulat ist exterritoriales Gebiet. Wenn also die Deutschen das Gebäude vor den Angriffen antisemitisch aufgeheizter Demonstranten nicht schützen können oder wollen, tun es die Israelis eben selbst - und zwar so, wie sie es für richtig halten. Die deutsche Polizei, die deutsche Justiz und deutsche Politiker haben dann nichts mehr mitzureden. Und das ist gut so.