Wahlkampf-Offensive ins Wasser gefallen

Die "Operation Wasserscheide" des sri-lankischen Militärs gegen die Tamil Tigers versackte im Schlamm.

Die Wahlkampf-Argumente in Sri Lanka stammen aus den Gewehrläufen. Seit mehreren Wochen liefern sich das Militär Sri Lankas und die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) schwere Kämpfe im nördlich der Stadt Vavuniya gelegenen Dschungel-Gebiet. Die Gegend um Vavuniya ist seit Jahren das Nadelöhr zwischen dem vom Militär und und dem von der LTTE kontrollierten Gebiet. Hier stauen sich die Flüchtlingstrecks, hier gibt es die meisten Lager, von hier aus werden die Medikamenten- und Lebensmitteltransporte durch NGOs in das von der LTTE kontrollierte Gebiet durchgeführt.

Die LTTE kann die Infrastruktur nutzen, ohne sie zu unterhalten, und auch das Militär hat hier einen seiner festen Stützpunkte. Das Ziel der Militärführung, nun auch einen Landweg zur 1996 eroberten Halbinsel Jaffna zu erkämpfen, endete in einem Desaster. Am 5. November brach die als "Operation Wasserscheide" bezeichnete Offensive, angekündigt als militärische Unterstützung für die Präsidentschaftswahlen im Dezember, zusammen. Eine heillose Flucht begann - nach offiziellen Angaben mit mehr als hundert Toten, andere Quellen sprechen von 1 000 toten Soldaten, die der tamilischen Gegenoffensive "Unaufhaltsame Welle" zum Opfer gefallen sein sollen. Für Präsidentin Chandrika Kumaratunga ist die militärische Niederlage mitten in ihren Wahlkampf, in dem sie Anfang Oktober mit der Parole warb, sie würde "innerhalb eines Monats das Problem LTTE lösen oder zurücktreten", auch ein persönliches Desaster.

Der seit 1983 andauernde Kampf für einen unabhängigen Tamilen-Staat im Norden des Landes sollte 1994 mit einem als Peace Package bezeichneten Abkommen beendet werden, das den Tamilen weitgehende Autonomie versprach. Mit diesem Versprechen war Chandrika Kumaratunga zur Präsidentin für das Wahlbündnis Peoples Alliance gewählt worden - und hatte nach Jahrzehnten die United National Party abgelöst, die stets auf eine militärische Lösung des Konfliktes gesetzt und Verhandlungen mit der LTTE kategorisch abgelehnt hatte.

Mit großen Hoffnungen, gerade auch unter der tamilischen Bevölkerungsminderheit, waren die Verhandlungen zwischen Regierung und Vertretern der LTTE begonnen worden. Doch schon wenige Monate später brachen die Befreiungstiger die Verhandlungen mit einem Anschlag im Stadtzentrum Colombos und der Begründung ab, es gebe kein ernsthaftes Interesse der Regierung an einer politischen Lösung. Seit dem Ende der Gespräche, zu denen die Regierung nur niedrige Verwaltungsbeamte entsandte, diktieren wieder Mörser und Raketen das Geschehen auf der "Träne im Indischen Ozean".

Während sich die LTTE mit dem Anschlag auch international zunehmend isoliert hatte, geriet Präsidentin Kumaratunga innenpolitisch unter Druck. Sie entschied sich nun für eine rein militärische Lösung und gab der militärischen Führung freie Hand. Auf dem Luft- und Seeweg war 1996 mit Flächenbombardements die am nördlichen Ende Sri Lankas liegende Halbinsel Jaffna, einst Hochburg der Befreiungstiger, erobert worden, doch gelang es nicht, einen Landweg nach Vavuniya freizukämpfen. Regierung wie Militär glaubten dennoch, das "Problem LTTE" weitgehend beseitigt und nur noch die Eroberung dieses Landweges vor sich zu haben. Eine Offensive mit diesem Ziel endete im Desaster und wurde im Dezember 1998 erfolglos abgebrochen.

Am 5. November musste das Militär eingestehen, das erst im Frühjahr eroberte Gebiet wieder an die Befreiungstiger verloren zu haben; es wurde sogar weitere fünf Kilometer zurückgeworfen. Insgesamt zehn Stützpunkte gingen bisher verloren. Damit ist nicht nur das Ziel - ein Landweg nach Jaffna - in weite Ferne gerückt. Es ist auch ein weiterer Rückschlag für die durch Korruption, massenhafte Desertionen und mangelnde Motivation geschwächte Armee.

Die Antwort der LTTE war eine militärische Gegenoffensive. Am 10. November forderten die Tiger Zivilbevölkerung und Hilfsorganisationen in Vavuniya auf, das Stadtgebiet innerhalb von 24 Stunden zu räumen. Mittlerweile ist die Stadt bis auf das Militär fast menschenleer. Mehrere Geschäfte wurden von Soldaten geplündert und zahlreiche Farmen im Umland Vavuniyas beschlagnahmt und deren Besitzer unter Androhung von Waffengewalt verjagt. Auch ein von der katholischen Organisation pax christi unterstütztes Hilfsprojekt ist von etwa 100 Soldaten besetzt und zu einer Bunkeranlage ausgebaut worden, die Mitarbeiter flohen. Insgesamt sind etwa 100 000 Menschen aus ihren Wohngebieten vertrieben und suchen Schutz im umliegenden Dschungelgebiet.

Zwar dauern die Kämpfe an, doch ist es noch nicht zum von der LTTE angekündigten Angriff auf Vavuniya gekommen. Das Militär verwehrt derweil Hilfsorganisationen, die mit Zelten und Nahrungsmitteln aus dem Süden gekommen sind, den Zutritt in das Gebiet um Vavuniya, weil es die Zivilbevölkerung zwingen will, in die Stadt zurückzukehren. Vertreter von NGOs gehen davon aus, dass nicht nur Vavuniya zum Kriegsschauplatz werden könne, sondern dass die LTTE auch versuchen wird, Jaffna zurückzuerobern.

Ob das Kalkül der Befreiungstiger, die Regierung aus einer Position der Stärke zu Verhandlungen zu zwingen, aufgehen wird, ist zweifelhaft. Sie rechnen vielmehr mit einer Eskalation der Kämpfe. Präsidentin Kumaratunga, vor fünf Jahren angetreten, eine politische Lösung für den seit 1983 andauernden Krieg mit der LTTE zu erarbeiten, macht sich mehr und mehr zum Spielball des Militärs.

Auch das Angebot der norwegischen Regierung, in dem Konflikt, in dem seit 1983 etwa 60 000 Menschen umgekommen sein dürften, zu vermitteln, wurde bisher von der Regierung nicht aufgegriffen. Denn die politische Kaste Sri Lankas hat an dem Krieg bisher prächtig verdient. So schließt sich nach fünf Jahren verhaltenen Hoffens der Kreis militärischer Logik.