Der indonesische Präsident bietet Aceh ein Referendum an

Ein Paradies für Ethnisierer

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Indonesien ist sowas wie ein Paradies. Von den mehr als 13 000 Inseln der südostasiatischen Republik sind noch nicht einmal 1 000 bewohnt. Geradezu ideal für abenteuerlustige Aussteiger wie für Pauschaltouristen.

Aber nicht nur das! Indonesien ist auch ein Paradies für Ethno-Fans, die wissen, dass es nicht gut ausgehen kann, wenn man viele so genannte Völker mit ihren so genannten kulturellen Eigenheiten zusammenpackt. Mindestens 250 Regionalsprachen - und damit wohl auch "ethnische Gruppen" - wollen die Experten des Spiegel in Indonesien gezählt haben, und schon haben sie den Grund, warum es ständig kracht: die Massenkrawalle gegen die chinesische Minderheit, der Konflikt um Ost-Timor und nun die Unabhängigkeitsbestrebungen der Provinz Aceh.

Bewaffnete Separatisten unter Führung des im schwedischen Exil lebenden Hassan de Tiro wollen dort einen "islamischen Staat" errichten. Lohnen würde sich das für die Bewegung Freies Aceh (Gam) garantiert - denn die Provinz im Nordwesten der Insel Sumatra beherbergt etwa 30 Prozent der indonesischen Ölvorkommen, im Übrigen floriert die Marihuana-Produktion. Unterstützt werden die Gotteskrieger dabei von der Regierung Libyens. Anfang dieses Monats demonstrierten rund 1,5 Millionen Menschen, mehr als ein Drittel der Provinzbewohner - nach einem Bericht der Washington Post mit dem Schlachtruf "Allah ist groß" -, für die "Freiheit Acehs". Das versucht Gam nun für sich zu instrumentalisieren.

Präsident Abdurrahman Wahid zeigte sich vergangene Woche verständnisvoll - und zuversichtlich: Schon bald werde der Konflikt um Aceh keiner mehr sein, und in sieben Monaten könnte - ähnlich wie in Ost-Timor - ein Referendum über den künftigen Status der Provinz abgehalten werden. Aber, fügte Wahid hinzu, er rechne fest damit, dass Aceh ein Teil Indonesiens bleibe.

Kaum hatte er das gesagt, begann eine Massenflucht aus der Provinz. Aus Angst vor Anschlägen der Separatistenbewegung, wie es in Agenturmeldungen von dpa hieß. Nur - warum sollte die künftige Elite eines Islamistischen Sultanats Aceh ihre künftigen Gefolgsleute schon jetzt vergraulen? Das können weder die Freunde kulturalistisch konstruierter Identitäten noch die dpa erklären.

Vermutlich hat die Flucht mit dem Agieren der indonesischen Armee (TNI) zu tun. Nach der Kompromissbereitschaft signalisierenden Ankündigung des Präsidenten war die TNI-Führung alles andere als erfreut. Der Kriegszustand müsse über die Provinz verhängt werden, forderte sie.

Bis 1998 galt die Provinz als Sonderterritorium, die Armee konnte hier ihr gesamtes Repertoire der Aufstandsbekämpfung ausprobieren - mehr als 2 700 Menschen wurden dabei getötet, weitere 3 800 gelten als vermisst.

Bisher sind in Aceh die Fronten klar: Der #Bevölkerung stehen offizielle Soldaten gegenüber. Eine Konstellation, die dem Militär nicht unbedingt behagt, lieber operiert es im Schatten eines simulierten Bürgerkrieges. An einer Geheimdienst-Operation Anfang August gegen Gam-Aktivisten beteiligten sich bereits paramilitärische pro-indonesische Gruppen - ähnlich wie es in Ost-Timor geschah. Für die Forscher in ethnologischer Mission aber ist eine solche Version vom "Krieg der Volksgruppen" eine willkommene Bestätigung. Und auf Wahid könnte das möglicherweise voreilige Angebot eines Referendums für Aceh zurückschlagen - wie auf seinen Vorgänger Habibie das Ost-Timor-Referendum.