Mumia Abu-Jamal-Demo

Wir sind die Guten

<none>

Leben, Lieben, Lachen, Kämpfen, Träumen. Die Linke lebt. Aus allen Teilen Deutschlands war man zu Tausenden und Abertausenden angereist, um sich auf dem Rosa Luxemburg-Platz zur großen Solidaritäts-Demonstration für Mumia Abu-Jamal einzufinden.

Internationalistisch, widerspenstig und frech gibt man sich. Zahlreiche junge Mädchen und Buben haben ganz drollige Frisuren, bunte Gewänder und schwarze Kapuzen. Dass es sowas noch gibt. Heißa, heut' ist Widerstand! Wie jedesmal werden auch heuer allerlei große Tücher in die Höhe gehalten, auf denen die großen Köpfe der großen Führer abgebildet sind. Damit auch jeder sehen kann, welchen Verein man jeweils mit der baldigen Durchführung der zu erwartenden Weltrevolution beauftragt hat: AAB, DGB, RK, DHKP-C, RSB, PSG, PKK, SAV, DKP, RIM, FDJ, IGM, Cuba s', Linksruck, den Roten Stachel Berlin oder amnesty international Elmshorn.

Um der Identitätshuberei willen gibt es zur Feier des Tages gar einen »ostdeutschen Block«. Demnächst hat man vermutlich mit einem sudetendeutschen zu rechnen. Die Linksruck-Schar kann man wie immer stets daran erkennen, dass sie zielsicher die simpelste und plumpeste aller möglichen politischen Botschaften an einem Stück Holz befestigt hat und diszipliniert in Kompaniestärke vor sich her trägt, wobei ausnahmslos alle dasselbe Agitprop-Schild zu tragen haben. Und wehe, einer schert aus den Reihen aus.

Wo die bunten Fahnen zuhauf im Winde wehen, da lass dich ruhig nieder, denn da ist das aus allerlei linken Politfraktionen zusammengewürfelte Bündnis besonders breit und die gemeinsame politische Aussage besonders schmal. Free Mumia. Alle Macht der Arbeiterklasse. Die Bosse sind die Bösen. Wir sind die Guten. Das muss erstmal reichen.

Kaum aber ist man vor der US-amerikanischen Botschaft angekommen, entdeckt man den Hauptfeind. Und der steht, solange der deutsche Linke eher deutsch als links ist, noch immer nicht im eigenen, sondern drüben im Amiland, »das wie kein anderes auf Blut aufgebaut ist«, wie es aus einem Lautsprecherwagen tönt. Dass es unentwegt die anderen sind, die schuld sind, das weiß man hierzulande. Da braucht man keine Nachhilfe.

»USA - internationale Völkermordzentrale«, wird wiederholt lauthals skandiert. Wie eine Woche zuvor noch die durchs Brandenburger Tor defilierenden Neonazis brüllt man auch selbst noch gern die alten Hits. Dass Rassismus und Todesstrafe in den USA uneingeschränkt zu verurteilen sind, steht außer Frage. Fragwürdig aber muss bleiben, warum bei einer Demonstration gegen den deutschen Geschichtsrevisionismus und zur Verteidigung des Holocaust-Mahnmals nur ein Häuflein Aufrechter erscheint, wohingegen bei Veranstaltungen, die sich vor allem gegen die Politik der USA richten, die verbliebenen Linken in rauhen Mengen mobilisierbar sind.

Bei der abschließenden Kundgebung auf dem Berliner Gendarmenmarkt ist der Abend bereits angebrochen. Ein kobaltblauer, sternenloser Himmel wölbt sich über die Szenerie. Der Tag neigt sich seinem Ende zu. Gelbe und orangefarbene Lichter illuminieren den Platz, auf dem man sich zusammenfindet, um zu stehen und zu lauschen. Vereinzelt flaniert man auch hin und her. Rundum feierlich und friedvoll sieht das aus, wie alle so schön beisammenstehen im abendlichen Schein. Man hat gestritten für die gute Sache. Und gegen das Böse in der Welt. Und so soll es ja sein.