Türkische Rechtsprechung

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Keine nennenswerte zivilisatorische Wirkung scheint die Aufnahme der Türkei in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten gezeigt zu haben: Vorletztes Wochenende wurden in Ankara die Bürgermeister der Städte Diyarbakir, Siirt und Bingöl festgenommen, die soeben von einer europäischen Konferenz für Stadtentwicklung in Hannover zurückgekehrt waren. Am folgenden Mittwoch erließ das Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir Haftbefehl gegen Feridun Çelik, Selim Özalp und Feyzullah Karaaslan. Der Vorwurf gegen die Lokalpolitiker lautet, sie hätten Verbindungen zur PKK unterhalten. Çelik, der Bürgermeister von Diyarbakir, war vor seiner Festnahme mit der schwedischen Außenministerin Anna Lindh zusammengetroffen. Dabei hatte Lindh gefordert, die Türkei müsse der kurdischen Minderheit mehr kulturelle Rechte gewähren. Diese Forderung vertritt sowohl die Demokratiepartei des Volkes (Hadep), der die drei Bürgermeister angehören, als auch die PKK. Am Tag nach der Verhängung des Haftbefehls verurteilte das Staatssicherheitsgericht 18 führende Hadep-Funktionäre, darunter den aktuellen Vorsitzenden Ahmet Turan Edemir und dessen Vorgänger Murat Bozlak, zu drei Jahren und neun Monaten Haft - ebenfalls wegen angeblicher Kontakte zur PKK. Auf Kritik unter anderem von Nicole Fontaine, der Präsidentin des Europäischen Parlaments, reagierte die Staatsführung des EU-Beitrittskandidaten unwirsch: »Wer Verbrechen begangen hat, wird ungeachtet seiner Person zur Rechenschaft gezogen«, sagte Staatspräsident Süleyman Demirel, und Ministerpräsident Bülent Ecevit ergänzte, die Türkei lasse sich von der EU nicht unter Druck setzen.