Max Koch

»Dieses Kabinett ist unser bester Helfer«

Seit die neue FPÖ-ÖVP-Koalition am Wiener Ballhausplatz regiert, erlebt Österreich eine noch nie da gewesene Welle von Protesten. Rund 60 Demo-Websites im Internet liefern Informationen für Tausende Demonstranten, fast jeden Abend muss die Wiener Polizei ausrücken, Straßensperren beherrschen das Bild in der Innenstadt.

Mitgetragen werden die Proteste von SOS Mitmensch, einer Organisation, die sich seit Jahren für eine nachhaltige Integration von in Österreich lebenden Ausländern einsetzt. Doch während früher die von dem sozialdemokratischen Innenminister Karl Schlögl verantwortete restriktive Ausländerpolitik eine Zielscheibe des Protests von SOS Mitmensch war, umarmt nun die oppositionelle SPÖ den einstigen politischen Gegner. Max Koch, ist Vorsitzenden von SOS Mitmensch,

Am vorvergangenen Samstag haben Sie zusammen mit 200 000 Menschen gegen die neue Regierung demonstriert. Eine solche Mobilisierung wird wohl so schnell nicht mehr gelingen. Denken Sie schon an eine neue Qualität der Proteste?

Die gibt es ja schon. Die Demonstrationen gegen dieses schwarz-blaue Experiment sind inzwischen zu Selbstläufern geworden. Am vorvergangenen Samstag haben wir den Menschen gesagt, dass nun jeden Donnerstag ab 19 Uhr am Ballhausplatz gegen diese Regierung demonstriert werden sollte. Am vergangen Donnerstag waren dann rund 15 000 Menschen da.

Das ist ja nicht unbedingt eine neue Protestform.

Diese Woche am Donnerstag werden wir etwas Besonderes machen. Wie Sie wissen, findet an diesem Tag in Wien der Opernball statt, die Mehrzahl der Regierungsmitglieder wird da anwesend sein. Also werden wir einen Faschingsumzug vor der Oper veranstalten. Die Leute sind aufgerufen, sich als Wolfgang Schüssel oder Susanne Riess-Passer zu verkleiden. Parallel dazu werden Kabarettisten ein Programm machen.

Fasching gegen Faschismus? Das klingt eher hilflos und deutet auf eine Entpolitisierung der Proteste hin. Es scheint ja schon jetzt so, als ließe sich Wolfgang Schüssel durch die Demonstrationen nicht beeindrucken. Glauben Sie, dass das Interesse an den Protesten deswegen bald nachlassen wird?

Das glaube ich nicht. Am vergangenen Samstag gab es einen Umzug unter dem Motto »Tanzen gegen Rechts«. Da haben Tausende teilgenommen. Ihr Slogan war: »Wir gehen, bis ihr geht.« Die meisten Menschen werden diesen Protest durchhalten. Und die Regierung versteht es, die Leute durch ihre Performance weiter zum Protestieren zu bewegen. Dieses Kabinett ist unser bester Helfer, um möglichst viele Menschen auf die Straße zu bringen ...

... um Blau-Schwarz in Rot-Schwarz zu verwandeln? Als noch die alte Koalition an der Macht war und eine repressive Ausländerpolitik betrieben hat, waren Sie wesentlich zurückhaltender.

Ach was. Sehen Sie sich doch an, was diese neue Regierung zustande bringt. Die agiert völlig chaotisch und eigentlich weiß niemand, wofür sie steht - außer Haider natürlich. Da sagen Teile der Freiheitlichen, man solle aus der Europäischen Union austreten. Und die anderen sagen, Österreich solle drin bleiben. Was wollen die eigentlich?

Und was wollen Sie? Bedeutet Ihr Slogan »Keine Koalition mit dem Rassismus« eigentlich nur »Keine Koalition mit der Freiheitlichen Partei»? Unter dem sozialdemokratischen Innenminister Karl Schlögl brauchte es diese Koalition nicht, um den Rassismus hat er sich selbst gekümmert.

Kommen Sie mir doch nicht so! Wenigstens gab es früher keine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen. Und wir haben oft genug die Sozialdemokraten wegen deren Grundsatzlosigkeit kritisiert. Da bin ich wirklich nicht verdächtig. Ich will ja nicht behaupten, dass die alte Koalition der Idealfall war. Aber wenigstens waren mehr gesellschaftliche Gruppen in die Regierung eingebunden, als das jetzt der Fall ist.

Sogar Sie waren eingebunden. Kurz nachdem Marcus Omufuma während seiner Abschiebung erstickt ist, haben Sie angeboten, Konzepte für einen humaneren Umgang mit Schubhäftlingen auszuarbeiten - zusammen mit Karl Schlögl.

Ja, damals hat SOS Mitmensch tatsächlich neue Konzepte für eine humane Schubhaft angeboten. Ich weiß nicht, was da verwerflich dran sein sollte. Das macht die Caritas doch auch. Wir können nicht so unrealistisch sein und behaupten, jeder Ausländer könnte hier bleiben.

Hat Karl Schlögl das Copyright auf diesen Satz?

Schlögl ist ein Mann ohne Grundsätze. Der könnte in jeder Partei sein. Was die Ausländerintegration betrifft, so hat diese neue Regierung eigentlich die Grundsätze und Konzepte der alten übernommen. Wir sind auf dem Weg zur Volksgemeinschaft und die alte Regierung hat das vorbereitet.

Prominente Vertreter dieser alten Regierung pfeifen jetzt mit Ihnen gegen die neue an. Warum lassen Sie sich denn jetzt von den Sozialdemokraten so umarmen? Nur weil sie angeblich geläutert sind?

Ich kann niemandem verbieten, zu unseren Demonstrationen zu kommen. Wenn der frühere Bundeskanzler Viktor Klima mitpfeift, so ist das seine Sache. Schließlich sind wir eine Zivilgesellschaft, und da haben auch Spitzenpolitiker das Recht mitzumachen. Aber eines möchte ich klarstellen: Wir haben weder Klima noch andere sozialdemokratische Funktionäre eingeladen. Und solange wir diesen Protest mittragen, wird auch keiner von denen auf die Rednertribünen gelassen.

Dennoch rufen auch die Sozialdemokraten zur Teilnahme an den Demonstrationen auf. Versuchen Sie sich als Steigbügelhalter einer neuen Regierung mit SPÖ-Beteiligung?

Wir wollen uns mal nicht überschätzen.

Wolfgang Schüssel hat angeboten, mit Ihnen zu verhandeln. Vielleicht sucht auch er einen alternativen Abschiebeberater. Wollen Sie mit ihm sprechen?

Was will der mit uns verhandeln? Er hat seine ÖVP zuerst in die Opposition und dann Österreich mit dieser Koalition in die Isolation geführt. Das ist eine reife Leistung. Es wird sicher keine Verhandlungen geben, denn wir sind nicht Schüssels Bewährungshelfer.

Wie lange geben Sie denn dieser Regierung noch?

Ich glaube nicht, dass es derzeit Spaß macht, Regierungsmitglied zu sein. Die Quarantäne der EU wird aufrecht erhalten. Irgendwie muss es ziemlich fad sein, nirgendwo eingeladen zu werden. Dieses Experiment wird vielleicht nicht mehr lange dauern. Wahrscheinlich wird es zuerst die ÖVP zerreißen. Der Arbeitnehmerflügel der Partei ist der erste, der auf eine Spaltung drängt. Eine neue Partei wäre dann eine spannende Sache. Meiner Meinung nach sollte es in einem halben Jahr Neuwahlen geben. Dann muss man die Leute fragen: »Wollt Ihr den totalen Haider?« Ich glaube, es muss dann einen neuen Deal geben.