Den Hahn schlachten

Eine erstarkte Opposition macht in Zimbabwe gegen die Alleinherrschaft von Mugabes Regierungspartei Zanu PF mobil.

Aufrufe zur Geschlossenheit, eine Runde Kritik und Selbstkritik sowie Schuldzuweisungen nach außen: Die Überraschung über die empfindliche Niederlage, die Zimbabwes Regierungspartei Zanu PF im gerade begonnenen Wahlkampf hinnehmen musste, hallte selbst in den Berichten der halboffiziellen Tageszeitung Herald nach. »Rhodesische und neo-koloniale Kräfte« sowie die wirtschaftliche Krise wurden dem Blatt zufolge vom ZK der Zanu PF dafür verantwortlich gemacht, dass die Vorlage für eine neue Verfassung Zimbabwes in einem Referendum mit 54,7 Prozent Nein-Stimmen durchfiel.

Der Entwurf war im vergangenen Jahr von der Constitutional Commission im Auftrag der Regierung erstellt worden. Seine Realisierung hätte u.a. die Möglichkeit zur entschädigungslosen Enteignung von Großfarmern eröffnet und die Position von Präsident Robert Mugabe - ungeachtet der vorgesehenen Einführung des Amtes eines Premierministers - gestärkt. In einer groß angelegten »Vote No!»-Kampagne hatten ein Bündnis aus Gewerkschaften, Bürger- und Menschenrechtsgruppen sowie Oppositionsparteien gegen den Vorschlag des angeblich Zanu-gesteuerten Gremiums argumentiert. Ihr eigener Entwurf, im Rahmen der National Constitutional Assembly (NCA) erarbeitet, stand nicht zur Abstimmung. Dieser sah unter anderem vor, die Machtbefugnisse des Präsidenten deutlich einzuschränken.

Nun jubelt die Opposition, denn ihre Chancen sind deutlich gestiegen, die überwältigende Parlamentsmehrheit der Zanu PF in den für Mitte April angesetzten Wahlen entscheidend zu ihren Gunsten zu dezimieren. Die ehemalige Befreiungsorganisation hält derzeit 117 von 120 Sitzen, die durch allgemeine Wahlen vergeben werden, und regiert das Land ununterbrochen seit der Erlangung der Unabhängigkeit vor 20 Jahren.

Das kann sich jetzt ändern. Vor allem der im Januar neu gegründeten Partei Movement for Democratic Change (MDC) wird zugetraut, eine bedeutende Anzahl der Stimmen der rund sechs Millionen Wahlberechtigten auf sich vereinigen zu können. Die MDC hat ihre Wurzeln in der städtischen Gewerkschaftsbewegung gegen die Folgen des seit 1990 implementierten Strukturanpassungsprogramms. Parteichef Morgan Tsvangirai, ehemaliger Vorsitzender des Gewerkschaftsdachverbandes Zimbabwe Congress of Trade Unions (ZCTU), ist heute wegen des breit organisierten Widerstandes gegen Massenentlassungen, Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Kürzungen im Bildungssystem einer der populärsten Politiker des Landes. Unterstützung kommt auch von einem Großteil der privaten Presse: »MDC ready to slaughter the cock«, kommentierte etwa der Zimbabwe Independent die Neugründung in Anspielung auf das Parteisymbol der Zanu PF.

An Themen für den Wahlkampf mangelt es der MDC und einer Vielzahl anderer Parteien nicht. Zwanzig Jahre nach dem Lancaster-House-Abkommen, das dem rassistischen Siedlerregime von Ian Smith ein Ende setzte, befindet sich das südafrikanische Land in seiner bisher tiefsten Wirtschaftskrise. Die Inflation beträgt fast 60 Prozent, die Staatskasse wird durch Schuldendienst und Kongo-Krieg geleert, der Lebensstandard ist mittlerweile auf das Niveau von 1965 zurückgefallen. Der derzeitige Elektrizitäts- und Treibstoffmangel ist Anlass für den Spott der staatsunabhängigen Presse. Mugabe, so heißt es dort mit Blick auf die städtischen Beschäftigten, die den täglichen Weg zur Arbeit zu Fuß zurücklegen müssen, bringe das Land wieder auf die #Beine.

Zudem verschlechtert sich die Reputation der Mugabe-Regierung bei den internationalen Finanzorganisationen stetig. In regelmäßigen Abständen wird die Auszahlung von Kredittranchen durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank eingefroren. Der Verfall der Rohstoffpreise, abnehmende Exporterlöse und die steigende Inflation zogen Zimbabwe Ende der achtziger Jahre in die Schuldenspirale, die Auflagen zu den Weltbankkrediten zwangen die Zanu-Regierung zu drastischen Einsparungen im bis dahin als vorbildlich angesehenen Bildungs- und Gesundheitssystem. Die Mehrzahl der Schulabgänger und Studenten findet nach der Ausbildung lediglich schlecht bezahlte Jobs oder wird arbeitslos. Während die Masse insbesondere der städtischen Bevölkerung Opfer der Sparmaßnahmen ist, stellen Posten im Klientelapparat der Staatspartei ein mehr oder weniger hohes Einkommen sicher.

Immense Summen des Staatsbudgets verschlingt zudem der fragwürdige militärische Beistand für das Kabila-Regime in Kongo-Kinshasa, Partner innerhalb der Regionalorganisation Southern African Development Community (SADC). Nach Angaben der BBC sind derzeit 11 000 Soldaten Zimbabwes in der Krisenregion im Einsatz.

In dieser Situation versucht die MDC, ihren Einfluss über die Städte des Landes hinaus auf ländliche Gebiete, die bisherigen Hochburgen der Zanu PF, auszuweiten. Von den fatalen Auswirkungen der Auflagen von IWF und Weltbank ist in der Wahlkampfrhetorik allerdings nicht mehr die Rede. Vielmehr wird nahezu ausschließlich der autokratische Herrschaftsstil Mugabes für die ökonomische Krise verantwortlich gemacht und der Kontakt zu den internationalen Finanzorganisationen gesucht. Eine soziale Marktwirtschaft - nach südafrikanischem Vorbild - und forcierte Industrialisierung sollen Zimbabwe den Aufschwung bringen, hofft die MDC in ihrem Gründungsmanifest.

Dass die Übernahme der Regierungsmacht durch die MDC mit entsprechender finanzieller Unterstützung möglich sein kann, machte 1991 im Nachbarland Sambia der Gewerkschaftsführer Frederick Chiluba und seine Protestbewegung Movement for Multi-Party Democracy vor. Diese löste in den ersten Mehrparteienwahlen die bisherige Einheitspartei Unip des Präsidenten Kenneth Kaunda ab und wurde von der so genannten Gebergemeinschaft mit großzügigen Krediten und verdoppelter Wirtschaftshilfe belohnt. Neun Jahre später trägt eine horrende Schuldendienstquote zur weiteren ökonomischen Marginalisierung Sambias bei, sodass es Chiluba seit neuestem für angebracht hält, die Schuld für den Zusammenbruch der Wirtschaft des Landes dem IWF und der Weltbank zuzuweisen.