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Die erste Hiobsbotschaft über illegale Finanztransaktionen der CDU tauchte im Oktober letzten Jahres auf. Mit ihr begann die Story über geschmierte Waffengeschäfte unter CDU/CSU-Beteiligung. Ihr erstes Kapitel hieß »Spürpanzer nach Saudi-Arabien« und führte in die Zeit des Golf-Kriegs zurück. Zwei weitere Abschnitte über den Export von Airbus-Flugzeugen und Hubschraubern sollten noch folgen.

Als die irakischen Streitkräfte im August 1990 Kuweit überrollten, wurde die saudi-arabische Armee mit ABC-Spürpanzern vom Typ Fuchs der Firma Thyssen Henschel ausgestattet. Um die gesetzliche Bestimmung, dass die BRD keine Waffensysteme in Krisengebiete liefert, umgehen zu können, brachten Schmiergeld-Zahlungen den Behördenapparat auf Trab. Das Geschäftsvolumen des Panzer-Deals lag bei 446,4 Millionen Mark. Fast die Hälfte, nämlich 219,7 Millionen Mark, entfielen auf »Provisionen oder nützliche Aufwendungen«. Von seinen 24,4 Millionen Mark will Karlheinz Schreiber 15,25 Millionen zur »politischen Landschaftspflege« an Kollegen und Freunde aus der CDU/CSU weitergegeben haben.

Unklar ist, welche Rolle der frühere BGS-General und Gründer der GSG 9, Ulrich Wegener, bei den Exporten nach Saudi-Arabien gespielt hat. Am 1. Juni 1988 ging Wegener nach Informationen der Süddeutschen Zeitung für rund drei Jahre nach Nahost, um dort eine Brigade der Special Security Force aufzubauen. Für seinen Einsatz als Söldner und Exporteur militärischen Wissens erhielt er vom damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher politische Rückendeckung. Kurze Zeit später bestellte Saudi-Arabien 170 Truppentransporter bei Thyssen Henschel und Maschinenpistolen vom Typ Heckler & Koch MP5.

Beim zweiten Rüstungsgeschäft ging es um den Verkauf von Airbus-Flugzeugen. Obwohl der Airbus ein ziviles Passagierflugzeug ist, wird er von manchen Luftstreitkräften als VIP-Transporter benutzt, so z.B. von der Bundeswehr. Bereits 1988 wurden drei Airbus-Flugzeuge für 220 Millionen Dollar an die DDR-Luftlinie Interflug verkauft. Dabei sollen Provisionen in Höhe von 16 Millionen Mark geflossen sein. Weitere Jets gingen an die Air Canada und die Thai Airways International.

Beim dritten Deal wurden mehrere Hubschrauber vom Typ Messerschmitt-Bölkow-Blohm Bo-105 CBS an die kanadische Coast Guard geliefert. Auch diesmal sollen Schmiergelder geflossen sein. Nur in einem Fall hatten selbst kriminelle Tricks keinen Erfolg. Der geplante Bau einer Panzerfabrik in Kanada durch den Thyssen-Konzern - Projekt Bearhead - scheiterte 1994.

Eine ganze Gilde von CSU-Politikern war in die Organisierung dieser Rüstungsgeschäfte verwickelt. Hauptfigur Karlheinz Schreiber war ursprünglich Teppich-Händler. Über seine Kontakte zu Franz Josef Strauß stieg er in den internationalen Waffenhandel ein. Durch seine »Beratertätigkeit« bei fünf verschiedenen Rüstungs- und Flugzeuggeschäften soll er insgesamt über 46 Millionen Mark verdient haben. Im Partykeller seiner Villa »wird alles beschlossen, was gut ist für Deutschland und unsere Brieftaschen«, pflegte der ehemalige BND-Mitarbeiter Schreiber zu sagen.

Eine weitere schillernde Persönlichkeit bei diesen Waffendeals ist Ludwig-Holger Pfahls. Seine Karriere begann als Persönlicher Referent von Franz Josef Strauß. Von 1985 bis 1987 war er Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und anschließend Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Danach verdiente er beim Rüstungskonzern Daimler-Benz ein Jahressalär von 600 000 Mark. Zusätzlich soll er beim Fuchs-Deal knapp vier Millionen Mark von Schreiber kassiert haben.

Auch die Familie des früheren CSU-Vorsitzenden ist in die Waffengeschäfte verwickelt. Nach Angaben von Schreiber soll Franz Josef Strauß bzw. seine Erbengemeinschaft bei den Airbus-Geschäften eine Provision in Höhe von 5,2 Millionen Mark eingestrichen haben. Max Josef Strauß soll beim Fuchs-Deal 500 000 kassiert haben.

Zu weiteren Tatbeteiligten gehören mehrere Spitzenpolitiker der CDU/CSU, die zum Teil auf kriminelle Erfahrung aus anderen Affären zurückblicken können: Erich Riedl (CSU) war früher Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Er soll beim Fuchs-Geschäft 500 000 Mark erhalten haben. Walther Leisler Kiep (CDU) musste im Oktober eingestehen, eine Millionen Mark von Schreiber entgegengenommen zu haben. Statt das Geld seiner Partei gutzuschreiben, verwendete Leisler Kiep einen Teil zur Deckung seiner Anwaltskosten aus der Flick-Parteispenden-Affäre. Den Rest teilten die Geldeintreiber Horst Weyrauch, CDU-Finanzberater, und Uwe Lüthje, Generalbevollmächtigter der CDU-Schatzmeisterei, unter sich auf.

Auch ein SPD-Politiker hatte mit dem Panzer-Deal zu tun. Der amtierende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Helmut Wieczorek war seinerzeit Manager bei Thyssen und verabredete mit seinem Parteifreund Heinz Schleußer, der kürzlich wegen der Flugaffäre als NRW-Finanzminister zurücktreten musste, dass der Konzern die Schmiergelder als »besondere Betriebsausgabe« beim Finanzamt in Düsseldorf absetzen darf.

Auf Seiten der Industrie wird gegen zwei Thyssen-Manager ermittelt: Jürgen Maßmann, der über sehr enge Kontakte zu Brigitte Baumeister verfügt, soll beim Fuchs-Geschäft einen Spitzenbetrag von mindestens 4,125 Millionen Mark von Schreiber eingesteckt haben; Winfried Haastert war hingegen schon für 1,2 Millionen Mark zu haben. Schreibers Geschäftspartner Giorgio Pelossi und andere internationale Kontaktpersonen stehen im Verdacht, der Organisierten Kriminalität anzugehören.

Der Augsburger Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz ist um Aufklärung bemüht. Aber die Lieferungen der Panzer an Saudi-Arabien waren durch die Bundesregierung offiziell gebilligt worden. Die Exporte der Airbus-Flugzeuge waren genehmigungsfrei. Für die Staatsanwaltschaft ist damit die Affäre auf die Anklagepunkte Steuerhinterziehung, Betrug und Untreue beschränkt. Mit Hinweis darauf, dass das Steuergeheimnis auch für diejenigen gelte, die diese Steuern nicht bezahlt haben, hält man sich mit öffentlichen Stellungnahmen zurück.

Am längsten wird gegen Karlheinz Schreiber ermittelt. Gleich zwei Verfahren sind gegen ihn seit Jahren anhängig. Am 31. August 1999 wurde Schreiber in Kanada festgenommen, am 8. September 1999 jedoch gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 1,5 Millionen Mark vorübergehend freigelassen. Über einen deutschen Auslieferungsantrag wird voraussichtlich im Juni ein kanadisches Gericht entscheiden. Gegen Ludwig-Holger Pfahls wird seit April 1999 mit Haftbefehl gefahndet.

Eine wesentliche Frage zur Aufklärung der Affäre ist noch völlig offen: Warum zahlte Saudi-Arabien für die Fuchs-Panzer das Fünffache des marktüblichen Preises? Selbst für die reichen Öl-Scheichs ist solch ein Geschäftsgebaren ungewöhnlich. Die Presse kaprizierte sich auf die eine Million Mark, die Walther Leisler Kiep im Koffer davontrug. Wo die übrigen 218,7 Millionen Mark Schmiergelder abgeblieben sind, interessierte kaum. Da nicht alles Geld für die Apanagen saudischer Königskinder verpulvert wurde, bleibt die Frage, ob hier Schwarzgelder für Geheimdienstaufgaben erwirtschaftet wurden.