Greencard und Zuwanderung

Disput der Türsteher

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Die Unternehmen der informationstechnologischen Branche (IT) können angeblich viele offene Stellen nicht besetzen, weil qualifiziertes Personal fehlt. Zur Eröffnung der Computermesse Cebit sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder deshalb, diesen Missstand wolle er durch die Anwerbung von 30- bis 40 000 Spezialisten aus Osteuropa, Asien und anderen Nicht-EU-Gebieten beheben. Unmittelbar nach Schröders Ankündigung begann die übliche Debatte darüber, wieviele Ausländer nach Deutschland dürfen, wie man sie sortiert und gegebenenfalls wieder los wird. Interessant ist an diesem Expertenstreit weniger der längst etablierte rassistische Grundkonsens, sondern die Anordnung der Argumente.

Der Kanzler hatte klar zum Ausdruck gebracht, sein Vorschlag sei nur für die boomende IT-Branche gedacht und sehe eindeutige Befristungen vor. Sofort meldeten sich die Caritas und der Hotel- und Gaststättenverband: Auch die Altenpflege und das Kellnerwesen seien auf die befristete Anwerbung von Ausländern angewiesen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt wollte die Greencard auf Facharbeiter und Ingenieure aller Branchen ausdehnen. Die Bundesregierung wies solche Ansprüche zurück, ebenso wie die Kritik an ihrem Vorschlag.

Die kam mit der gewohnten völkischen Warnung vor Überfremdung und einer »unverantwortlichen Dauereinwanderung« vor allem aus der CSU. An ihre Seite gesellte sich eine Schar von Gewerkschaftsfunktionären, die dem deutschen Volkstum soweit verpflichtet sind, wie es in der Person des eingeborenen Facharbeiters auftritt. Die drohende Stammtischrevolte der eigenen Mitglieder vor Augen erkärten die fünf Gewerkschaften, die sich demnächst zur Dienstleister-Vertretung ver.di zusammenschließen wollen, ihre kategorische Ablehnung des Schröder-Plans und forderten, »das vorhandene Potenzial« zu nutzen. An der Spitze des Deutschland-zuerst-Zuges steht IG-Metall-Chef Klaus Zwickel: Durch die Abwerbung der Ausländer erhöhe sich die Arbeitslosigkeit in den »Entwicklungsländern«, wodurch diese wiederum »als Exportmärkte für uns« ausfallen. Dass die Gewerkschaftstölpel einstimmig vor drohendem »Lohndumping« warnten, ist nichts anderes als das Eingeständnis des eigenen Bankrottes: Seit Jahren sind sie weder willens noch in der Lage, ihre Klientel zu mobilisieren, und begnügen sich mit der kämpferischen Verwaltung sinkender Realeinkommen.

Keineswegs weniger listig geht es auf der Seite der Befürworter der Greencard zu. Als Sprecher der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung plädiert Bernd Knopf für eine Entrümpelung der komplizierten Zuzugsregelungen, will jedoch am Prinzip »der Vorrangigkeit von deutschen und EU-Bürgern bei der Arbeitsplatzsuche« festhalten. Neu in Schwung kam die Debatte um ein Einwanderungsgesetz. »Einwanderer dienen dem nationalen Interesse«, schrieb die Zeit. Deshalb müsse einmal klar gesagt werden, »dass sich Migrationspolitik nicht am Elend dieser Welt, sondern an harten wirtschaftlichen Bedürfnissen orientiert«.

Von rechts meldete sich in der Welt der ehemalige Berater Helmut Kohls, Michael Stürmer, zu Wort. In seiner Gratulation an Schröder machte er deutlich, dass der national gepolte konservative Rassismus auch durch die Anerkennung neoliberaler Notwendigkeiten nicht unbedingt an praktischer Substanz verliert. An Stelle des bisherigen »ungezielten Multikulti« werde nun das Gespräch »über Einwanderung, Asyl etc. auf eine neue Basis gestellt. Deutschland hält es nicht aus, dass überall Kreuzberg wird. Die neuen Eliten, die nun ins Land eingeladen werden, orientieren sich am offenen Stil von Londons Docklands und Notting Hill Gate.« Das sind Reservate für Geschäftsleute. Um herein zu kommen, braucht man lediglich einen teuren Friseur und eine abendländische Gesinnung.