Putin gewinnt russische Präsidentschaftswahl

Der Notstands-Präsident

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Der Plan des Kreml ist aufgegangen: Mit rund 52 Prozent der Wählerstimmen hat Wladimir Putin in der ersten Runde die Präsidentschaftswahlen in Russland für sich entschieden. Mit knapp 30 Prozent landete der ewige Zweite, Gennadi Sjuganow von der so genannten Kommunistischen Partei, auf dem ihm angestammten Platz. Und der Liberale Grigori Jawlinski sackte auf etwa sechs Prozent der Stimmen ab, womit sich sein Ziel einer »Koalition aus liberaler und demokratischer Opposition« erledigt haben dürfte.

Noch vor zehn Monaten hatte es so ausgesehen, als sei die mafiose Macht im Kreml am Ende: Von Korruptionsskandalen geschüttelt, durch das populäre Bündnis zwischen dem Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow und dem Ex-Premier Jewgeni Primakow - ein rivalisierendes mafioses Machtzentrum - in die Enge getrieben, schien sie verloren.

Dann kam Putin, der ehemalige Chef des Geheimdienstes FSB, handverlesener Nachfolger von Boris Jelzin und dessen »Familie« im Kreml. Und mit ihm kam der Krieg in Tschetschenien - die »blutige Salbung« von Putin, wie Le Monde schrieb. Der Krieg bescherte Putin nach den Bombenanschlägen auf Wohnhäuser mit etwa 300 Todesopfern hohe Popularität. Die Attentate wurden tschetschenischen Warlords in die Schuhe geschoben. Allein, die Indizien, dass es sich bei diesen Anschlägen um eine russische Variante der »Strategie der Spannung« - wie sie der italienische Staat seit Ende der sechziger Jahre mit Morden und Bombenanschlägen praktiziert hat - handelte, mehren sich.

Dass mit Putin nun ein Ex-Geheimdienstler auf dem Präsidentensessel Platz nimmt, ist nur ein weiteres Indiz für den Zustand, in dem sich das russische System befindet. Nachdem Boris Jelzin das russische Parlament unter dem Beifall des Westens in Schutt und Asche gelegt hatte, schneiderte er sich 1993 eine Verfassung auf den Leib, die ihm als Präsidenten außerordentliche Vollmachten gewährte: Das Recht, Regierungschefs zu ernennen und zu entlassen, eine widerspenstige Duma aufzulösen, Dekrete zu erlassen und bei Bedarf den Ausnahmezustand auszurufen - kurz, das politische System in Russland entspricht schon nach der Verfassung einer autoritären Präsidialrepublik.

Der ökonomische Kollaps im August 1998 hat den Ruf nach einem starken Mann noch beflügelt - der Notstand in Permanenz etablierte sich. Und der Bevölkerung, die die Lasten des Kollapses mit einem weiteren Verarmungsschub bezahlt, wurde mit dem autoritären Identifikationsobjekt eines entschlossenenen »Führers« und - im Gefolge des Tschetschenienkrieges - einer Welle von aggressivem Nationalismus eine gewisse ideologische Kompensation geboten.

In den letzten Wochen und Monaten hat Putin darüber hinaus seine Getreuen aus den »Diensten« in Schlüsselpositionen der Sicherheitsorgane gehievt - an die Spitze des FSB, in den Nationalen Sicherheitsrat, den Regierungsapparat und die Präsidentenadministration.

So ist es kein Wunder, wenn die Prognosen verschiedener »Experten« düster ausfallen. Etwa die von Nikolai Petrov, politischer Analyst am Moskauer Carnegie Center. Die neue Regierung, so meint er, »wird eher wie eine Maschine aussehen, in der man nicht zwischen verschiedenen Elementen, die zusammen als kleine Teile einer Gesamtheit funktionieren, unterscheiden kann. (...) Was wir gerade sehen, ist die letzte Phase mehr oder weniger öffentlicher Politik, mit öffentlichen Konflikten zwischen verschiedenen Clans der Elite.« Künftig, so Petrov weiter, werde dies im Verborgenen stattfinden. So sieht das aus, wenn die unterschiedlichen Institutionen des Staates zur Notstandsverwaltung verschmelzen. Der FSB-Staat nimmt Gestalt an, und die herrschenden mafiosen Kreise können sich ins Fäustchen lachen.