Fujimoris Tricks im peruanischen Präsidentschaftswahlkampf

ABM in Lima

Um Fujimoris erneute Präsidentschaftskandidatur in Peru zu sichern, wurden 450 Arbeitsplätze eingerichtet - in einer Fälschungsfabrik.

Seit vier Wochen vergeht kein Tag, an dem die unabhängige peruanische Tageszeitung El Comercio nicht neue Details über den spektakulären Wahlbetrug der Allianz Peru 2000 präsentiert. Bis zu einer Million Unterschriften sind demnach in einer »Fälschungsfabrik« in Limas Diplomatenviertel auf Basis von Fotokopien des Wahlregisters der Kommunalwahlen von 1998 gefälscht worden, um die notwendigen 600 000 Stimmen für die Einreichung der offiziellen Kandidatur Alberto Fujimoris bei der Wahlkommission zusammenzutragen.

Verantwortlich für die Fälschung der Unterschriften sei, so El Comercio, die Nationale Unabhängige Front (NUF), eine der vier Gruppierungen, die die Kandidatur des seit 1990 amtierenden Fujimori für eine weitere Legislaturperiode unterstützt. Die habe insgesamt 450 Arbeiter angestellt, die im Oktober und November die Unterschriften aus dem Wahlregister fälschten.

Der Skandal, für den das Blatt im Laufe der Wochen zahlreiche Zeugen präsentierte und der auch der internationalen Beobachterkommission von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) oder dem Carter Center nicht verborgen blieb, hat zum Rückzug der NUF aus dem Wahlkampf geführt. Zudem traten Daniel Chuan, der Gründer der Fujimori-Allianz Peru 2 000, und Oscar Medelius, ein Anwalt, dessen Kanzlei in den Skandal verwickelt ist, von ihrer Kandidatur für den Kongress zurück. Fristlos gekündigt wurde Ruben Calder-n, Chef des Wahlbüros der Stadt Arequipa, der die Fälschungsoperation koordiniert haben soll.

Mit diesen personellen Konsequenzen haben die Wahlkampfmanager um Fujimori faktisch zugegeben, dass es zu Unterschriftenmanipulationen gekommen ist. Zu wenig in den Augen der Opposition, die eine detaillierte Untersuchung der Vorfälle verlangt, um die eigentlichen Drahtzieher dingfest zu machen.

Verantwortlich für die Untersuchungen ist das nationale Wahlbüro. Das hätte wegen des Skandals die Kandidatur des derzeitigen Präsidenten auch für null und nichtig erklären können. Doch bereits in einer ersten Stellungnahme nach Bekanntwerden der Vorfälle Ende Februar erklärte dessen Bürochef José Protillo gegenüber der Presse, dass damit nicht zu rechnen sei.

Dass die Fujimori-Allianz die notwendigen Unterschriften auch auf legalem Wege erhalten hätte, bezweifelt zwar niemand - weshalb die Unterschriften dennoch gefälscht wurden, ist bisher ungeklärt. Mehr als Spekulationen, dass sich die NUF mit der schnellen Präsentation der Unterschriftenlisten als effizienter und wichtiger Partner Fujimoris darstellen wollte, sind dabei bisher nicht herausgekommen.

Fujimori befindet sich durch den Skandal knapp zwei Wochen vor den Wahlen in der Defensive. Einer öffentlichen Diskussion mit den wichtigsten Präsidentschaftskandidaten der Opposition ist er bisher ausgewichen, und auch die Treffen mit den internationalen Wahlbeobachterkommissionen überlässt er meist seinen Kabinettsmitgliedern. Ohnehin haben sowohl die Beobachterkommission der OAS als auch das Carter Center oder das in Washington ansässige National Democratic Institute den Wahlkampf als unfair moniert, da die Regierung die vier wichtigsten Fernsehsender kontrolliere und Oppositionskandidaten somit nur einen Teil der Bevölkerung erreichen könnten.

Bisher hat es das Fernsehen auch vermieden, über den Wahlbetrug zu berichten, sodass vor allem die Landbevölkerung nur unzureichend darüber informiert ist. Viele Peruaner wüssten nicht, dass die Wahl geheim sei, so Duffy Terry vom International Electoral Reform Service (ERIS). Viele Wähler seien außerdem durch Nahrungsmittel- und sonstige Spenden durch die Regierung beeinflusst worden.

In den städtischen Armutsvierteln und auf dem Land - auf diese Gebiete konzentrierte Fujimori seinen Wahlkampf bereits 1995 - könnte sich somit auch diesmal die Wahl entscheiden. Allerdings ist dort auch sein ärgster Widersacher Alejandro Toledo recht beliebt. Der Kandidat des Parteienbündnisses Peru Posible, ein ehemaliger Weltbank-Ökonom, spricht fließend die Indio-Sprache Quechua und gilt als Vertreter der politischen Mitte. Jüngsten Umfragen zufolge - die allerdings wenig repräsentativ sind, da sie nahezu ausschließlich in den Städten gemacht werden - kommt Toledo derzeit auf 25 Prozent der Stimmen. Damit liegt der 53jährige 14 Prozent hinter Fujimori, aber weit vor den ehemals aussichtsreichsten Oppositionskandidaten. Alberto Andrade, der Ex-Bürgermeister Limas und Kandidat von Somos Peru, kommt auf zehn Prozent, Luis Casta-eda Lossio, ein Ex-Mitarbeiter Fujimoris vom Bündnis Solidaridad Nacional, auf sechs.

Der rasante Stimmenzuwachs Toledos, der noch vor einigen Monaten bei wenigen Prozentpunkten lag, könnte dazu führen, dass die Wahl nicht, wie lange erwartet, im ersten Wahlgang entschieden wird. Sollte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit im ersten Anlauf erreichen, kommt es zu einer Stichwahl. Die könnte Toledo mit den Stimmen von Andrade und Casta-eda im Rücken eher für sich entscheiden als Fujimori.

Das weiß auch Enrique Lau, der erst vor kurzem aus den Reihen Fujimoris in die von Toledo überlief. Lau warnte Mitte März Toledo öffentlich zur Vorsicht. Die Regierung könne ein Komplott gegen ihn planen, um die Wiederwahl Fujimoris zu sichern. Einen Tag später wurde Lau unter noch ungeklärten Umständen von einem Auto überfahren und schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Seitdem kursieren in Lima Gerüchte, dass für den Unfall der Geheimdienst SIN verantwortlich sei.

Der steht faktisch unter der Kontrolle des Präsidentenberaters Vladimiro Montesinos und fungierte zumindest zeitweise als Hauptquartier für Fujimoris Wahlkampf. Lkw mit Propagandamaterial für Peru 2000 fuhren im SIN ein und aus, wie die Zeitung Repœblica anhand von Fotos bewies.

Der beträchtliche Wahlkampfaufwand von Peru 2000 hat die Stimmung in der Bevölkerung dennoch nicht sonderlich günstig beeinflussen können. Einer repräsentativen Umfrage der Universität Lima zufolge blicken 61,1 Prozent der Befragten düster in die Zukunft. Die Arbeitsmarktsituation sei außerordentlich schlecht, und in absehbarer Zeit sei auch keine Besserung zu erwarten.