Konfliktmanagement afrikanischer Staaten

African Ownership, Western Sponsorship

Der Westen hat die Vorteile des Panafrikanismus entdeckt: Afrikaner sollen im Rahmen der OAU ihre Konflikte selber lösen.

Als die Truppen mit Uno-Mandat in einer Nacht Ende 1992 an der Küste von Somalia landeten, inszenierten Militärs und Kamerateams die Invasion als Spektakel. Auf der Mattscheibe schien es, als lauerten die Kämpfer der somalischen Warlords bereits im Dunkeln, um die hochgerüsteten US-Soldaten sofort unter Beschuss zu nehmen. Sechs Monate später wurde die Unitaf-Mission für beendet und zum Debakel erklärt, 1995 zogen die 30 000 Blauhelme der UN-Operation Unosom II ab, an der sich auch deutsche Soldaten beteiligten. Mit über 130 Toten auf Seiten der Interventionstruppe hatte niemand gerechnet.

Der Testfall Somalia hatte weit reichende Konsequenzen für die Anfang der neunziger Jahre ausgeprägte Vorliebe der Industrieländer, in für sie wirtschaftlich und strategisch eher unbedeutenden Staaten Afrikas zu intervenieren. Exemplarisch dafür war das weitgehende Desinteresse an dem Massenmord der Hutu-Milizen in Ruanda. Ganz neue Töne vernahm man in der Folge aus den Außenministerien des Nordens: Afrikanische Probleme sollten künftig von Afrikanern gelöst werden, zur finanziellen und logistischen Unterstützung sei man jedoch unter gewissen Vorgaben bereit. African Ownership und Western Sponsorship waren die Schlagworte der neuen Strategie.

Da fügte es sich gut, dass die Organization of African Unity (OAU) bereits im Juni 1993 in Kairo die Einrichtung eines »Mechanismus zu Verhinderung, Management und Lösung von Konflikten« beschloss. Im Central Organ des so genannten Kairo-Mechanismus beraten sich 16 Vertreter afrikanischer Staaten. Die Beschlüsse des Gremiums soll das Generalsekretariat der OAU in »geeignete Maßnahmen« zur Konfliktlösung umsetzen, ein Zentrum für Konfliktmanagement und Frühwarnsysteme sind zur Unterstützung vorgesehen. Finanziert wird dieses Instrument vor allem durch Sonderzahlungen von EU und USA.

Sieben Jahre nach seiner Einrichtung erweist sich der Kairo-Mechanismus zunehmend als Staffage und Feigenblatt für die fortschreitende Militarisierung der Politik in Afrika durch eine Vielzahl von Akteuren. Die Vermittlung im Bürgerkrieg von Kongo-Brazzaville, immer wieder als erfolgreiches Beispiel der Konfliktregulierung durch die OAU angeführt, verdeutlicht das: Konnte 1993 durch einen Sonderbeauftragten der Organisation vorerst die Eskalation des Machtkampfes zwischen Anhängern des Präsidenten Pascal Lissouba und denen von Ex-Präsident Denis Sassou-Nguesso vermieden werden, übernahm Sassou-Nguesso mit Unterstützung seiner französischen Partner 1997 dennoch die Reste des Staatsapparates.

Auch mit Blick auf die von OAU und Uno unterstützte Sub-Regionalorganisation Ecowas in Westafrika kann von einer Erfolgsbilanz keine Rede sein. Die Ecomog, die militärische Organisation der westafrikanischen Staaten, wird fast vollständig von der regionalen Großmacht Nigeria dominiert. Während der Interventionen in Liberia (1990) und Sierra Leone (1997) verfolgten die damaligen nigerianischen Militärregierungen vorwiegend ihre eigene Agenda. In Liberia verlängerte das Eingreifen der Ecomog den Bürgerkrieg, Charles Taylor ließ sich 1997 zum international anerkannten Präsidenten des Landes wählen. Am Tag des Abzuges der Ecomog-Kontingente aus Sierra Leone im Mai nahmen die Rebellen der Ruf ihren Kampf wieder auf.

Die Entdeckung des Panafrikanismus durch die Großmächte des Nordens kündigt keineswegs deren Rückzug aus militärischen Auseinandersetzungen in Afrika an: Für die Ausbildung und Ausrüstung von Truppenkontingenten - angeblich mit Peacekeeping-Aufgaben - stehen die USA, Frankreich und Großbritannien gern zur Verfügung. So kamen Äthiopien, Eritrea und Uganda als Vorposten gegen den »Schurkenstaat« Sudan neben der regulären US-Militärhilfe in den zweifelhaften Genuss von Ausbildungsprogrammen im Rahmen der African Crisis Response Initiative. Parallel dazu trainiert Frankreich seit Mitte der neunziger Jahre Soldaten aus etlichen Ländern Westafrikas im Projekt Recamp, darunter Burkina Faso, Togo und Benin. Es gehe, so heißt es, nicht darum, ein stehendes Heer aufzubauen, sondern im Krisenfall schnell abrufbare Einheiten mit einer Mobilisierungszeit, bis zu maximal 90 Tagen.

In den Manövern sollen, so das State Department, die Fähigkeiten zur Friedenssicherung erweitert werden. Unterwiesen werden die Bataillone der Teilnehmer-Länder u.a. von Special Forces aus North Carolina, denen in der Fachpresse vor allem Fähigkeiten bei der Aufstandsbekämpfung nachgesagt werden. Uganda und Senegal setzten die ausgebildeten Kräfte, so lassen diverse Medienberichte vermuten, innenpolitisch zur Bekämpfung von Rebellen ein. Mit Äthiopien und Eritrea - hier wurde die Vermittlung, die gerade zu einem wackligen Friedensschluss führte, weitgehend der OAU überlassen - bzw. Zimbabwe und Uganda stehen sich zudem einige der bevorzugten Empfänger westlicher Militärhilfe seit 1998 direkt in bewaffneten Auseinandersetzungen gegenüber.

Die Aufrüstung wird begleitet von einer extremen Privatisierung der Sicherheitsapparate in afrikanischen Staaten. Anbieter militärischer Dienstleistungen sind vor allem die Pensionäre des Kalten Krieges: Ex-Angehörige der Militär- und Geheimdienste Südafrikas, Großbritanniens, der USA, Frankreichs und der Ex-Ostblock-Staaten. Die Söldnertruppen lassen sich oft mit Schürf- und Förderrechten für transportable Rohstoffe entlohnen und sind an internationalen Vermarktungsfirmen beteiligt.

Unter diesen Umständen über den möglichen Erfolg panafrikanischen Konfliktmanagements debattieren zu wollen, ist lächerlich. »Die internationale Attraktivität dieser Entwicklung«, so schrieb Peter Lock bereits 1997 im »Afrika-Jahrbuch«, »(liegt) in der (...) Trennung des nützlichen vom überflüssigen Afrika. Der zu einem privatwirtschaftlichen Industriezweig aufgewachsenen internationalen humanitären Hilfe wächst dabei die Aufgabe zu, die Symptome der globalen sozialen Polarisierung und der Armutsapartheid kosmetisch zu behandeln; sie wird dabei ein integraler Bestandteil der neuen politischen Ökonomie.«