CDU-Aktion »Familiengespräch«

Toleranz de luxe für Homosexuelle

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Herr Teichmann ist verzweifelt. »Jetzt stehen hier 650 Beiträge«, schreibt er im CDU-Internetforum (www.cdu.de), »und ich finde einfach keinen intelligenten, taktvollen, argumentativ ansprechenden Beitrag, der GEGEN die so genannte Homo-Ehe spricht.« Er setzt hundert Mark Finderlohn aus.

Tatsächlich: Viel mehr als »Schwulsein ist abartig« bringen die wenigen Ehegegner im Forum nicht zu Stande. Dabei füttert die Partei ihre Besucher ein paar Seiten weiter mit Argumenten: Eine demonstrative Gleichstellung, warnt sie, könne angesichts der ungeklärten Ursachen von Homosexualität besonders bei Bisexuellen oder Jugendlichen auf Verhaltensdispositionen zurückwirken und unabsehbare Folgewirkungen haben. Ein paar Bytes different but equal ergänzen das Szenario: »Ungleiches ist gerade nicht gleich, sondern gerechterweise ungleich zu behandeln.«

Papier geworden ist diese Vision auf einer Postkarte, die Parteivorsitzende Angela Merkel von den Kreisverbänden verteilen läßt: Zwei Jungs oder Mädels mit 70er-Jahre-Fönfrisur und einer halben Nasenlänge Abstand als romantische Silhouette vor einem Sonnenuntergang: »Toleranz Ja, Ehe Nein«, lautet der Slogan zur Fototapete, handliche Argumente für die Überzeugungsarbeit folgen auf der Rückseite.

Mit der Karte in der Hand, so die Vorsitzende, sollten die Mitglieder bei Straßenaktionen, Veranstaltungen und im alltäglichen Gespräch Position beziehen. Diese »Aktion Familiengespräch« will die Partei nicht als Kampagne gegen die Homo-Ehe verstanden wissen, sondern als Engagement für Toleranz. Das erklärt zumindest ein Parteisprecher, der unbedingt ungenannt bleiben will und uns das Phantasieren über die »Aktion« überlässt.

Wer bisher allenfalls Angst hatte, von homosexuellen Ehe-Werbern in eine Diskussion verwickelt zu werden, sollte der neuen Situation schließlich nicht unvorbereitet entgegentreten: Vielleicht steht die CDU-Basis schon morgen vor deinem Supermarkt und erklärt dir und den Nachbarn geduldig, warum Homosexualität nicht abartig ist und dass auch Schwule und Lesben gute Abgeordnete sein können. Währenddessen werden die anderen Parteimitglieder auf den Marktplätzen der Republik Überzeugungsarbeit bei Lesben und Schwulen leisten müssen, die mit Parteiaustritt und Politiker-Outing drohen und dafür kämpfen, dass sie in Zukunft LSVD wählen dürfen. Auch Eltern könnten sich an der Kampagne beteiligen und die CDU-Postkarte mit guten Ratschlägen an ihre invertierten Kinder schicken: Pass auf, dass dich kein Fotograf erwischt, es sei denn, es herrscht Gegenlicht. Unbekannte Trittbrettfahrer haben den CDU-Slogan garantiert längst einer kosmetischen Behandlung unterzogen: »Perversion Ja - Ehe Nein«, wird auf ihren Karten zu lesen sein.

Ein realistisches Szenario? Was Eltern und Trittbrettfahrer betrifft, vielleicht. Die CDU-Basis allerdings ist alles andere als aktiv: Sie ist in Urlaub, genau wie die Kreis- und Landesvorsitzenden.

Ein paar Lesben und Schwule sind in der Stadt geblieben und protestierten als Gegner oder Befürworter der eingetragenen Lebensgemeinschaft vor dem Berliner CDU-Parteisitz gegen die Kampagne. Bisher spricht alles dafür, dass die »Aktion Familiengespräch« im Sommerloch verschwindet, aus dem sie gekommen ist.

Wer sich eben dort langweilt und an die entropischen Kräfte des freien Worts glaubt, sollte der CDU ein paar Klicks schenken. Im Internetforum wird kraftvoll an der Institution Ehe gesägt. »Ist es nicht ohne Kinder nur eine Lebensgemeinschaft?« fragt eine Teilnehmerin. Da hilft nur Weiterdenken: Warum sollte man, wenn die Kinder ausgezogen sind, Ehen nicht annullieren, um das weite Feld der Lebensformen zu erkunden?