Meine Zeit in der Hölle X

Kakerlakenklau

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Neulich war wieder mal Junggesellenabschied. Einer heiratet, und die anderen wünschen ihm einen ganzen Abend lang viel Spaß auf seinem weiteren Lebensweg. In meinem Alter sind die meisten aus dem obligatorisch anwesenden Freundeskreis ebenfalls längst verheiratet, sodass sich findige Wortschöpfer bei hochzeitenden Nachdreißigern eigentlich mal eine andere Terminologie einfallen lassen könnten. Sorry, aber mir fällt gerade auch nichts Schmissiges ein.

Hier im Niedersächsischen feiert man das folgendermaßen: Erst einen Happen essen oder auch zwei, als »gesunde Unterlage«, damit die groteske Vielfalt der hernach verabreichten Alkoholika in ihrem Reaktionsverhalten gehemmt wird, und anschließend geht's in den Puff! Den Puff schenken wir uns meistens: »Hört mal, ich hab der Dagmar versprechen müssen, nicht mit auf die Gurke zu gehen. Und außerdem - ich glaube, die hat mein Geld gezählt ...« »Wir zahlen!« erschallt es im Chor, aber so richtig überzeugend klingt das schon seit Jahren nicht mehr. Und wenn der mit zwanzig Knoten, also mit Volldampf, in den Ehehafen reinschippernde Seemann nur noch etwas Gegenwehr zeigt - es muss nicht viel sein -, dann knicken alle erleichtert ein, dann lässt man es für diesmal gut sein, denn man weiß ja: »Nächstes Jahr ist Guido dran, aber dann frage nicht ...«

Heuer also nur ein verlängertes Gezeche, für das man eigentlich nicht extra heiraten müsste. Nach vielen bitteren Schnäpsen und diversen Wechseln der Lokalitäten - Kosmopolitismus wird in aufgeklärten Kreisen ja auch beim Saufen groß geschrieben - verschlug es uns in einen Irish Pub, der sich aber sehr bald als Hort des finstersten Obskurantismus entlarvte. Gerade spielte man das alldienstägliche Quiz, an dem sich die ganze Kneipe mit viel Gejohle und Schenkelklopfen beteiligte. Bier floss, wie Bier nun einmal fließt. Da bleibt manch einer nicht gern außen vor, und so meldeten ein paar Amüsiernotständler auch unsere Gruppe an - man kann sich in der Provinz seine Freunde wirklich nicht aussuchen!

Wir hielten zunächst gut mit, mussten dann aber doch einmal passen: »Was essen die Polen traditionell zu Weihnachten?« Die Frage war et-was suggestiv und gab in diesem irisch-niedersächsischen Pandämonium called »Wild Geese« denn auch gleich zu weit reichenden slawophoben Spekulationen Anlass. Ich hätte sie vermutlich nicht gestellt. Aber die irische Quizleitung kannte vielleicht auch ihre niedersächsischen Pappenheimer noch nicht so gut.

»Forelle« wäre richtig gewesen, meine ich. Viel besser in Erinnerung geblieben sind mir dann allerdings die vielen fehlerhaften Antworten, die von der Conferencieuse ebenso gewissenhaft vorgelesen wurden: »Brot. Wenn sie haben!« ließ sie vernehmen und schickte dann ein akkurates »Das ist leider falsch« hinterher. Und auch bei »Geklaute Kakerlaken!« beschied sie in ihrer knappen, aber unzweideutigen Art, dies sei ebenfalls »nicht richtig«. Wir nickten einverständig dazu, verbeugten uns hochachtungsvoll und drehten das Kneipen-Karussell geschwind eine Runde weiter.