Rechtsextremer Professor in Jena

Frei, freier, Pankraz

Die Universität Jena verteidigt die rechtsextremen Umtriebe ihres Honorarprofessors Günther Zehm.

In der thüringischen Universitätsstadt Jena vermuten manche, dass Günther Zehm auf dem rechten Auge inzwischen erblindet sei. Denn der Honorarprofessor am Philosophischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität (FSU), einschlägig bekannt durch seine wöchentliche »Pankraz-Kolumne« in der rechtsextremen Jungen Freiheit (JF), musste nicht nur die Vorlesung absagen, die er in diesem Semester an der Jenaer Uni halten wollte. Auch eine vom Philosophischen Institut geplante Veranstaltung mit dem Rechtsaußen, die eigentlich am vergangenen Donnerstag über die Bühne gehen sollte, musste verschoben werden. Schuld daran sei die mangelnde Sehkraft des Referenten.

Doch die örtlichen Pankraz-Fans werden wohl trotzdem auf ihre Kosten kommen. In den Räumen der Universität soll Zehm nun am 8. Februar unter dem Motto »Pankraz trifft seine Leser« aus seinem neuen Buch vortragen. An diesem Abend wird er wohl auch die bei vielen Rechten zum Standardrepertoire gehörenden Klagen über Meinungswächter, Patriotenverfolger, Radikalkommunisten, PC-Apostel und die linke Medienhetze absondern. Denn seit Wochen schon tobt an der Jenaer Uni eine Auseinandersetzung um Zehm und seine Verbindungen zum Rechtsextremismus.

Die Vorwürfe haben es in sich: Einige StudentInnen hatten seine Autorentätigkeit für die JF und seine Mitarbeit an einer Festschrift zum 60. Geburtstag des verurteilten britischen Holocaustleugners David Irving öffentlich kritisiert und Zehm als »geistigen Brandstifter« und Exponenten der so genannten Neuen Rechten bezeichnet. Der Fall Zehm, so die KritikerInnen, zeige, dass Rassismus auch im intellektuellen Milieu Jenas eine Basis habe.

Nun sieht sich die Universität unter Zugzwang. Zu Zehms Verteidigung bemühen der Direktor des Philosophischen Instituts Gottfried Gabriel und der Uni-Rektor Karl-Ulrich Meyn die freiheitlich-demokratische Grundordnung: Deren Boden habe er nämlich nicht verlassen. Die Uni-Honoratioren betonen nicht nur, dass seine Äußerungen von der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit gedeckt seien. Auch seine DDR-Vergangenheit wird zur Entschuldigung angeführt. Damals schon habe er »für das Bekenntnis zur Meinungsfreiheit die Verhaftung in Kauf genommen«, betont Rektor Meyn. Außerdem sei Zehms Anstellung am Institut auch ein »Stück Wiedergutmachung«, assistiert Institutsleiter Gabriel. Ähnlich äußerte sich auch das Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst: »Wir gehen davon aus, dass unsere Studenten in der Lage sind, sich kritisch mit den von Dr. Günter Zehm vertretenen Positionen auseinander zu setzen«.

Doch mit der kritischen Auseinandersetzung scheint es in Jena nicht weit her zu sein. Bei einer Antifa-Veranstaltung am 30. November vergangenen Jahres über den »Philosophen am rechten Rand« taten sich nicht nur rechte Studenten mit Pöbeleien hervor. Eine breite Abwehrfront von Philosophieprofessoren beharrte auf der »Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit« und verweigerte die Diskussion. »An der Uni gibt es derartige Vorfälle nicht mal ansatzweise«, verharmlost auch Rektor Meyn das rassistische Potenzial. Wer dennoch darauf hinweist, wird als Nestbeschmutzer beschimpft.

Zehm bietet, neben den Jenenser Burschenschaften, die alle im völkisch argumentierenden Dachverband Deutsche Burschenschaft vertreten sind, einen wichtigen Anlaufpunkt für rechte Studenten in Jena. Der promovierter Philosoph war bis 1954 Assistent an der Jenaer Uni und betätigte sich dort im Ernst-Bloch-Kreis, der mit seiner Verhaftung 1957 endgültig zerschlagen wurde. 1961 kaufte die Bundesrepublik Zehm, der wegen »Boykotthetze« zu viereinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, frei. Im Westen begann er seine journalistische Karriere. 1975 landete er beim Springer-Blatt Die Welt, dem Flaggschiff der konservativen Rechten, und brachte es zum stellvertretenden Chefredakteur und Feuilletonchef. 1989 wechselte er zum ebenfalls dezidiert konservativen Rheinischen Merkur. Bald darauf nahm Zehm auf Vorschlag der FSU eine Honorarprofessur in Jena an. Schließlich fand er als Pankraz im Januar 1995 sein neues und vorerst letztes Zuhause bei der Jungen Freiheit.

In diesem Jahr befand sich das Blatt, nicht zuletzt wegen der öffentlichen Diskussion um seine Bedeutung für die extreme Rechte, in einer schweren Krise. Es sah sich wissenschaftlicher Kritik ausgesetzt und fand sich im Verfassungsschutzbericht wieder. Im Dezember 1994 wurden die Druckerei der JF in Weimar und mehrere Firmenfahrzeuge mit Brandsätzen angegriffen. Zehms Beitritt in dieser Situation war durchaus symbolisch zu verstehen. Als anerkannter, wenn auch konservativer Kommentator und ehemaliger Welt-Redakteur sollte er wohl das Image der JF aufpolieren. Und tatsächlich zog er weitere konservative Autoren nach.

In seiner wöchentlichen Kolumne gibt sich Pankraz meist kulturell geschwätzig. Oft sind es Vertreter von Politik und Medien - »Schmierentheater und Scheinwerfergeilheit« -, die seinen Ekel erregen. Neben derartigem Populismus hat Zehm immer auch neurechte Versatzstücke im Gepäck. Mit der Forderung nach einer unbelasteten »nationalen Identität« betreibt er nicht nur eine verklausulierte NS-Relativierung, Pankraz zieht auch offen gegen »verblödete Vergangenheitsbewältiger« zu Felde und phantasiert von der »Ablösung Gottes durch den Holocaust«. Auch die Wahnvorstellung vieler so genannter Neuer Rechter, man sei Opfer einer angeblichen antinationalen Verschwörung, bedient Zehm mit seinem Gerede von der »Patriotenverfolgung«.

Zehms Reaktionen auf die Kritik sprechen für sich: Er wolle sich von einem »verlorenen Haufen Radikalkommunisten« nicht vorwerfen lassen, »für eine Zeitung zu arbeiten, die keine Gesetze verletzt«. Die JF sei ein »hochachtbares Organ, das von höflichen und gut erzogenen Leuten gemacht« werde, und David Irving sei »ein interessanter Wissenschaftler, der nur die Quellen sprechen lassen« wolle: »Wenn ein englisches Gericht sagt, dass er ein Auschwitz-Leugner ist, ist er für mich noch lange kein Verbrecher.«