Iranischer Außenminister in Berlin

Theokratie trifft Kapital

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Die Ankündigung kam überraschend, aber wohl nicht ungelegen: Am 8. Februar wird der iranische Außenminister Kamal Kharazi zu einem zweitägigen Besuch in Berlin erwartet. Kharazis Anliegen ist es, den »Dialog der Zivilisationen« wieder in Gang zu bringen und die derzeit gestörten Beziehungen zu Deutschland zu verbessern.

Am 8. September 2000 hatte der iranische Präsident Mohammad Khatami vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen betont, dass die islamische Zivilisation eine der wenigen Zivilisationen sei, die sich gefestigt habe. Zwei Jahre zuvor hatte er an gleicher Stelle angeregt, das Jahr 2001 zum Jahr des Dialoges der Zivilisationen zu erklären. Der Vorschlag wurde angenommen, und mit seiner Forderung nach einem Diskurs der Verständigung stieß Khatami besonders bei der deutschen Außenpolitik auf offene Ohren. Bereits Klaus Kinkel (FDP), Außenminister der Regierung Kohl, hatte den »kritischen Dialog« propagiert. Unter seinem Nachfolger Joseph Fischer mündete diese Politik in eine Förderung der so genannten Reformkräfte. Grüne und Sozialdemokraten nehmen an, dass eine Unterstützung Khatamis die totalitäre Theokratie demokratisieren könnte, eine Politik, die von CDU/CSU und FDP grundsätzlich mitgetragen wird.

Um Khatamis Strömung ein Forum zur Selbstdarstellung zu verschaffen, hatte die den Grünen nahe stehende Heinrich-Böll-Stiftung im April 2000 eine Konferenz in Berlin veranstaltet. Dass Mitte Januar sechs Konferenzteilnehmer zu langjährigen Haftstrafen, der Geistliche Hassan Jussefi Eschkewari, der im Gegensatz zur Khatami-Fraktion für eine Trennung von Religion und Staat eintritt, sogar zum Tode verurteilt wurde, war ein Affront, den die Bundesregierung nicht einfach hinnehmen konnte. Bundeskanzler Gerhard Schröder verschob seinen Iran-Besuch auf unbestimmte Zeit, nur Parlamentspräsident Wolfgang Thierse hält an seinem Plan fest, noch im Februar nach Teheran zu reisen. Die CDU befürwortet derzeit größere Distanz. Ihre Abgeordneten Friedbert Pflüger und Hermann Gröhe erklärten, wegen der Urteile gegen Teilnehmer der Böll-Konferenz »besteht zurzeit keine Grundlage für einen Dialog auf so hoher politischer Ebene«. Doch dies sind nur taktische Differenzen. Weiterhin stehen die deutschen Parteien der »Liberalisierungspolitik« im Iran wohlwollend gegenüber.

Die Strategie der Islamischen Republik hatte sich nach dem Tode Ayatollah Khomeinis 1988 verändert, als Präsident Haschemi Rafsandschani westliche Kapitalinvestitionen erleichterte. Man akzeptierte die ökonomischen Prämissen des Neoliberalismus und erwartete im Gegenzug vom kapitalistischen Westen die politische Akzeptanz des islamistischen Systems. Khatami vertritt diese Politik nur geschickter und konzilianter. Doch auch er befürwortet den Gottesstaat, und wie sein Rivale Ali Khamenei denkt er nicht daran, die theokratisch-totalitären Institutionen und die archaische Strafgesetzgebung abzuschaffen. Sie streiten sich, wie die Ziele der islamischen Revolution am besten verwirklicht werden können.

Eine Demokratisierung des Iran bedeutet eine Abkehr vom khomeinistischen Gottesstaat, die nicht durch die Stärkung der wirtschaftsliberalen Inquisitoren der Diktatur erreicht werden kann. Der iranische Markt verspricht jedoch viel und Deutschland erhofft sich Milliardenaufträge bei der Modernisierung der iranischen Infrastruktur. So will die staatliche Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) beratend bei der Privatisierung des Post- und Telekommunikationsbereiches tätig werden. Der »Dialog der Zivilisationen« ist unter diesen Umständen nichts anderes als der Dialog des westlichen Kapitals mit der islamistischen Diktatur.