Konflikte zwischen Regierung und Opposition

Daimler gegen Zanu

Die Opposition in Zimbabwe setzt auf neoliberalen Korporatismus und gibt der Regierung die Gelegenheit, sie links zu überholen.

ruben eberlein

Zum Anfang ein Gebet: Die Besucher senkten die Köpfe, falteten die Hände und ließen den Pfarrer darum bitten, dass sie unbeschadet nach Hause kämen. Zimbabwes Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) hatte Ende Februar nach St. Dukes in Harares Mittelklasse-Vorort Greendale geladen, und die prominenten Redner wussten, dass an diesem Abend auf differenzierte Analysen kein Wert gelegt wurde. »Zimbabwe ist neben Nazi-Deutschland der einzige Staat, der Rassismus als Regierungspolitik institutionalisiert hat«, unterrichtete der Abgeordnete Job Sikhala das Publikum. Sein mehrfach vorgetragener Wunsch, Präsident Robert Mugabe möge das gleiche Schicksal erleiden wie der im Januar ermordete kongolesische Staatschef Laurent-Desiré Kabila, fand den meisten Beifall.

Die Antipathie beruht auf Gegenseitigkeit. Mehr als dreißig Unterstützer des MDC wurden vor den Wahlen im Juni des vergangenen Jahres von Anhängern der Regierungspartei Zanu (PF) umgebracht. Doch selbst die staatliche Repression, die auch nach der Wahl vor allem in Townships und ländlichen Gebieten weitergeht, konnte den Erfolg des MDC nicht verhindern. Fast 50 Prozent der Stimmen vereinte die Partei unter Vorsitz des ehemaligen Gewerkschafters Morgan Tsvangirai auf sich. Die erfolgsgewöhnte Zanu (PF), die Zimbabwe seit der Unabhängigkeit 1980 regiert, muss sich nun mit einer starken parlamentarischen Opposition auseinandersetzen. Dem MDC werden auch gute Chancen eingeräumt, die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr zu gewinnen.

Ihren Erfolg verdankt die Partei, die von Gewerkschaftern und Aktivisten der National Constitutional Assembly (NCA), einer Bündnisorganisation der Demokratiebewegung, Mitte 1999 gegründet wurde, bisher vor allem der Regierung. Der 77jährige Mugabe ist wegen des Militäreinsatzes im Kongo unpopulärer als je zuvor, die Wirtschaft des Landes befindet sich im freien Fall, und die soziale Lage der Bevölkerung verschlechtert sich ständig. Allein wegen ihrer Ankündigung, es irgendwie anders machen zu wollen, ist die Oppositionspartei in dieser Situation für viele attraktiv.

Das MDC, seinem eigenen Gründungsmythos zufolge eine Arbeiterbewegung, vereint mittlerweile eine Vielzahl von widersprüchlichen in- und ausländischen Interessen. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist das Ziel, die Staatsklasse, die sich aus der ehemaligen Befreiungsbewegung formiert hat, aus den Regierungssesseln zu vertreiben. Die Basis der Partei bilden vor allem städtische Arbeiter, Kleinbürger und auch immer mehr Bauern, finanziert wird sie jedoch von weißen Großfarmern, die die Enteignung ihrer Ländereien befürchten, und von Teilen des einheimischen Industriekapitals.

Die aufstrebenden Oppositionspolitiker haben viele Freunde im Ausland. Geld soll unter anderem von den konservativen britischen Tories kommen, was von der Partei allerdings wenig glaubhaft bestritten wird. Die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt sowohl das MDC als auch den Gewerkschaftsdachverband Zimbabwe Congress of Trade Unions (ZCTU) seit Jahren, am 15. März wurde Tsvangirai auf einer Veranstaltung der Daimler-Chrysler-Stiftung von potenziellen deutschen Investoren gefeiert.

Das MDC-Manifest vertritt eine neoliberale Programmatik, die eine Fraktion um den wirtschaftspolitischen Sprecher Eddie Cross erarbeitet hat. Von der Reaktion der internationalen Kreditgeber berichtete Cross, ehemals Vorsitzender des schlagkräftigen Unternehmerverbandes Confederation of Zimbabwe Industries (CZI), verzückt. »Die Weltbank sah sich unser Programm an und sagte: 'Wir wären stolz gewesen, ein Programm wie dieses zu erstellen.'« Den Gewerkschaftern in der MDC-Führungsspitze wird die wirtschaftsliberale Doktrin mit der in Aussicht gestellten Rückkehr zum staatlichen Korporatismus nach dem Vorbild des deutschen Bündnisses für Arbeit versüßt.

Arrangements zwischen den Gewerkschaften und Unternehmerverbänden unter strikter Kontrolle des Ministeriums für Arbeit haben in Zimbabwe eine lange Tradition. Die korporative Praxis fand erst ihr Ende, als Mitte der neunziger Jahre die verheerenden sozialen Folgen der Strukturanpassungspolitik offensichtlich wurden und sich die Gewerkschaften von der staatlichen Kontrolle lösen konnten. Ende der achtziger Jahre hatte die CZI im Bündnis mit der Zanu (PF)-Regierung die Öffnung der Wirtschaft durchgesetzt.

Die Klassenallianz könnte in naher Zukunft vor einer Zerreißprobe stehen, warnen linke Kritiker wie Munyaradzi Gwisai, ein Aktivist der trotzkistischen International Socialist Organisation und Parlamentsmitglied für das MDC. Er kritisiert, das MDC-Manifest sei »ein Programm für marktwirtschaftliche Reformen, ein Programm für die Weiterführung des Strukturanpassungsprogramms. Und daraus ergibt sich ein Widerspruch zwischen der Tatsache, dass die Basis des MDC eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen einfordert (...), und der Tatsache, dass die MDC-Führung ein Programm favorisiert, das ihre Lage weiter verschlechtern wird.«

Der Zanu (PF) eröffnete die neoliberale Ausrichtung des MDC die Möglichkeit, ihn mit einer Rückkehr zur antiimperialistischen Rhetorik ihrer frühen Jahre links zu überholen. Die Machthaber versuchen, mit der schnellen Enteignung von Großfarmern und der Verteilung von Land an Kleinbauern ihre verlorene Hegemonie zu erneuern. Ihre jahrelang gepflegten Beziehungen zu den von Weißen dominierten Industrieverbänden und der Interessenvertretung der Großbauern hofft die Regierung ersetzen zu können durch die verstärkte Unterstützung einer loyalen schwarzen Mittelklasse, die mit affirmative action- Programmen politisch und wirtschaftlich gefördert werden soll.

In der Propaganda des Informationsministeriums ist das MDC ausschließlich eine Handpuppe britischer und südafrikanischer Reaktionäre. Diese Ignoranz gegenüber dem Charakter des breiten Bündnisses soll eine zunehmend gewalttätige Unterdrückung jeglicher Kritik rechtfertigen. Angriffe auf staatsunabhängige Medien und die Abschaffung einer autonomen Rechtssprechung sind Teile einer Strategie, mit der sich die Zanu (PF) an der Macht halten will.