Nachwuchsförderung im Volleyball

Zu lange geblockt

Mit einer besseren Nachwuchsförderung wollen die Kubaner ihre Volleyball-Nationalmannschaften an der Weltspitze halten.

Im Zentrum des kubanischen Volleyballsports, dem Trainingsgelände Cerro Pelado in Havanna, schwitzt der talentierte Nachwuchs. Zuspiel und Schmettern, Blocken und Annehmen bis zum Abwinken stehen auf dem Programm, das der Spielerinnentrainer Eugenio George erarbeitet hat. Der Schweiß fließt in Strömen, jede der knapp zwanzig Spielerinnen rechnet sich Chancen aus, bald zur Equipe der »spektakulären Mulattinnen« zu gehören, wie die weiblichen Volleyballstars in Kuba genannt werden.

Einige von ihnen, so George auf einer Pressekonferenz im Januar in Havanna, sind an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Die internationale Spitze ist jedoch eng zusammengerückt. Das bestätigt auch Regla Torres, die gerade vom internationalen Volleyballverband (FIVB) als beste Spielerin des Jahrhunderts ausgezeichnet wurde. Nach einem Match gegen die Russinnen bei der Olympiade in Sydney hatte die 26jährige Ausnahmespielerin gestöhnt, dass sie sich Sprungfedern in die Schuhe einbauen müsse, wenn die Europäer weiterhin so große Spielerinnen aufböten. Damit sprach sie eines der Probleme der Kubaner an. Es mangelt an großen Nachwuchsspielern, was nur bedingt durch ein spezielles Sprungtraining auszugleichen ist.

Die Perspektiven Kubas sind in dieser Sportart nicht sonderlich gut. Die schlechte Ernährungssituation zu Beginn der neunziger Jahre wird sich wohl auch noch beim Nachwuchs bemerkbar machen. Ein Problem, von dem alle Trainer wissen, das aber selten angesprochen wird. Zudem sind den Kubanerinnen, die in den neunziger Jahren ihren Sport wie kein anderes Team dominierten und alle drei in diesem Jahrzehnt vergebenen Olympiatitel gewannen, die Russinnen und die Brasilianerinnen gefährlich nahe gekommen.

Das hat sich nicht erst in Sydney gezeigt, wo das junge russische Team zuerst wie der sichere Sieger aussah und auch die Brasilianerinnen der kubanischen Equipe alles abverlangten. Die internationale Erfahrung der »mulaticas« gab zum Schluss zwar noch einmal den Ausschlag, aber George sieht die Zeit für eine Neuorientierung gekommen. Der Coach, der jüngst vom FIVB zum besten Trainer des Jahrhunderts gewählt wurde, beklagt, dass die nationale Liga viel zu schwach ist, um den Nachwuchs voll zu fordern. Für ihn haben die Auslandsengagements der kubanischen Stars durchaus ihre Nachteile, da sie kaum mit der Vorbereitung in Kuba vereinbar seien und die Disziplin der Spieler und Spielerinnen darunter leide.

Für seine Musterschülerin Regla Torres ist allerdings ihre Erfahrung in der italienischen Liga einer der Gründe für den Erfolg von Sydney. Das Team, so Torres, sei stabiler und stärker geworden. Die jungen Spielerinnen hätten einen Sprung nach vorn gemacht, weil sie zweimal pro Woche auf höchstem Niveau spielen müssten. Wichtig ist die italienische Liga für die Volleyballcracks allerdings auch aus einem anderen Grund. Von den Geldern, die dem kubanischen Verband zukommen, erhalten sie etwa dreißig Prozent. Mit den Devisen können sie ihre Familie unterstützen und ihr Leben in Kuba finanzieren. Denn mit den wenigen Peso, die die Sportler zu Hause erhalten, kommt man kaum über die Runden.

Das gilt auch für das Herrenteam, dessen letzte Saison besonders schlecht war. Die Mannschaft von Trainer Juan Díaz konnte weder in der World League, dem wichtigsten Turnier des Jahres, noch bei den olympischen Spielen die Runde der letzten vier erreichen. Zu wenig angesichts der hohen Erwartungen, Díaz musste gehen, er kümmert sich nun um die Koordination des Volleyballtrainings in den Schulen. Idolo Gilberto Herrera hat seinen Platz eingenommen, er wird von Victor García und Ernesto Martínez, zwei ehemaligen Aktiven, unterstützt. Sie sollen nun das Sorgenkind des kubanischen Verbandes durch Nachwuchsförderung wieder aufpäppeln.

Denn Leonel Marshall, der Präsident des nationalen Volleyballverbandes, bemängelt, dass die Sportart weder in den Schulen noch in den Stadtvierteln ausreichend angeboten werde. Mit Turnieren auf Schul- wie Stadtteilebene will Marshall, der mit García und Martínez 1976 in Montreal die Bronzemedaille holte, Volleyball attraktiver machen. Vor allem die Arbeit mit dem männlichen Nachwuchs scheint vernachlässigt worden zu sein.

Nicht umsonst hat Gilberto Herrera auf einer Konferenz im Januar darauf hingewiesen, dass die Cracks um Ihosvany und Osvaldo Hernández bei der Olympiade 2004 um die dreißig Jahre alt wären. Der Nachwuchs ist aber noch nicht so weit, die zentralen Spieler zu ersetzen. Dennoch versprach Herrera, elf Nachwuchsspieler mit einem Durchschnittsalter von 18 Jahren und einer Größe von 1,96 Metern in den vorläufigen Nationalkader aufzunehmen. Sechs von ihnen haben den Sprung in das diesjährige Aufgebot für die World League geschafft.

Die Finalrunde, die in diesem Jahr Ende Juni in Warschau und Katowitz stattfindet, ist Pflicht für die Equipe, die 1998 den Pokal erstmals gewinnen konnte. Ob der Nachwuchs dann allerdings wirklich mit kubanischen Stars wie Pavel Pimienta oder Angel Denis die Saison in Italien verbringen wird, um in der »A uno« Erfahrungen zu sammeln, ist nicht gewiss. Gilberto Herrera, der bereits in Spanien, Griechenland und der Türkei arbeitete, wird sich etwas einfallen lassen müssen, wenn er die Jungen integrieren will. Und bereits in der Vorrunde wartet Olympiasieger Jugoslawien auf die neue kubanische Mannschaft, die sich in Warschau liebend gern eine ansehliche Dollarprämie verdienen würde.

Die hat Regla Torres schon erhalten. Als »beste Spielerin des 20. Jahrhunderts« bekam sie eine Million US-Dollar, von der sie die Hälfte behalten darf, sagt ihr Cousin Iván Hernández. Die Diskussion in Kuba über diesen Preis hat sie sehr geärgert. Denn Fans, Journalisten und auch Coach George hätten ihn eher Mireya Luis zuerkannt. Luis galt über Jahre als beste Angreiferin der Welt, sie führte das kubanische Team in Barcelona und Atlanta zur Goldmedaille.

Auch in Sydney war sie dabei, kam allerdings nur noch sporadisch zum Einsatz; soeben hat sie ihre internationale Karriere beendet. Ihr hätten viele Kubaner den Preis gegönnt, und in den Medien musste sich Regla Torres quasi entschuldigen. Für Iván Hernández ist das ein »unsägliches Theater«, das die 26jährige gehörig genervt habe, schließlich sei es doch die internationale Fachwelt gewesen, die den Preis vergeben hat.