Mazedoniens Regierung sucht die Zusammenarbeit mit der EU

Willkommen in Europa

Die mazedonische Regierung misstraut den USA. Sie erwägt eine intensivere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union.

Als der russische Präsident Wladimir Putin am vorletzten Wochenende auf dem G 8-Gipfel in Genua eintraf, hatte er in seinem Reisegepäck auch einen persönlichen Brief seines mazedonischen Amtskollegen Boris Trajkovski. »Ziemlich unterwürfig«, so behaupteten jedenfalls Mitarbeiter des mazedonischen Präsidialamtes gegenüber Jungle World, habe Trajkovski den russischen Präsidenten darin um Hilfe gebeten.

Der Gegenstand des Bettelbriefs: Putin möge doch bitte George W. Bush dazu bewegen, die US-amerikanische Unterstützung für die albanischen Separatisten der »Nationalen Befreiungsarmee« einzustellen. Gleichzeitig bedrängte Trajkovski den russischen Präsidenten, Bush von der Nutzlosigkeit des US-Vermittlers James Pardew zu überzeugen. Nach Ansicht der mazedonischen Regierung sympathisiert Pardew mit den Separatisten und ist daher für die Verhandlungen über eine Reform des mazedonischen Staates denkbar ungeeignet. »Pardew hat keine Ahnung von unserer Verfassung oder von der mazedonischen Demokratie. Aber noch ist es zu gefährlich, ihn zur persona non grata zu erklären«, meint Antonio Milosoki, Sprecher des mazedonischen Premierministers Ljubco Georgevski.

Der Bettelbrief Trajkovskis zeigte allerdings wenig Wirkung. Putin sprach das Thema Mazedonien in Genua nicht an und spielte in den Diskussionen der Staatschefs ohnehin nur eine untergeordnete Rolle.

Dabei markierten die Tage um den Gipfel einen tiefen Einschnitt in der Mazedonien-Krise. Endgültig wandte sich die Regierung in Skopje von Washington ab, aus den bislang vorsichtig geäußerten Verdächtigungen gegenüber den USA wurden - zumindest in den Regierungsstellen Skopjes - Gewissheiten. »Der Wendepunkt war für uns eine Begebenheit am 21. Juli: Damals landeten zwei US-Hubschrauber im Norden unseres Landes in zwei Orten, die von den Rebellen gehalten werden. Nach Informationen der Armee stellten sie Container ab. Wir wissen nicht, was sie enthielten, aber zwei Tage später begann die Offensive der Terroristen gegen Tetovo. Die Amerikaner halten uns also zum Narren«, sagte Antonio Milososki gegenüber Jungle World.

Milososki will zwar nicht bestätigen, dass die Amerikaner tatsächlich Waffen für ihre albanischen Verbündeten geliefert haben, er geht aber zumindest davon aus, dass die USA »logistische Unterstützung« für die Separatisten bereitstellen.

Auch wenn dieser Vorwurf nur schwer zu beweisen sein dürfte, so fallen doch zumindest die intensiven Bemühungen der Bush-Regierung auf, die wenigen Verbündeten der mazedonischen Regierung einzuschüchtern. Die Sicherheitsberaterin von Präsident Bush machte während ihres Russland-Aufenthaltes Ende vergangener Woche eigens einen kleinen Abstecher nach Kiew, um mit dem ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma ein einziges Thema zu erörtern: Die Waffenlieferungen der Ukraine für die mazedonische Armee.

In den vergangenen Wochen beteiligte sich die Ukraine an der Aufrüstung der mazedonischen Streitkräfte, indem sie vier Kampfhubschrauber und vier Kampfflugzeuge lieferte. »Condolezza Rice gab nach ihrem Gespräch mit Kutschma bekannt, dass der ukrainische Präsident zugestimmt hat, die Waffenlieferungen einzustellen. Das könnte ein Vorspiel für ein von den USA initiiertes Waffenembargo gegen Mazedonien sein«, meint Viktor Gobarev, Direktor des US-Instituts stratfor.

Die diplomatischen Bemühungen werden das Misstrauen in Skopje vermutlich noch verstärken. Während die USA erwiesenermaßen Ausrüstung für die UCK liefert, jettet Condolezza Rice durch die Welt, um Waffenlieferungen für die mazedonische Armee zu stoppen.

Die Regierung in Skopje kann zwar die US-amerikanischen Intentionen nachvollziehen. Washington versuche, die ehemalige jugoslawische Republik aus der russischen Einflusssphäre zu nehmen. »Aber was sollen wir denn tun? Wir sehen die einzige Möglichkeit, die Verbindungen mit Moskau oder Kiew einzuschränken, darin, die Europäische Union als Verbündete gegen den Einfluss Washingtons zu gewinnen«, so Regierungssprecher Milososki.

Skopje sucht den Anschluss nach Europa. Die bisherigen, zumindest teilweise erfolgreichen Bemühungen Skopjes, ein Partner der EU auf dem Balkan zu werden, sollen im Frühjahr dieses Jahres auch richtungsweisend für die Washingtoner Regierung gewesen sein. »Es wird viel über die Öl-Pipelines geredet, die vom Schwarzen Meer an die albanische Küste durch Mazedonien laufen sollen und darüber, dass die Amerikaner sich den Einfluss auf diese Pipelines über die Albaner sichern wollen. Aber ich würde nicht sagen, dass so etwas den ursprünglichen nationalen Interessen der USA entspricht. Vielmehr fürchten die Amerikaner, ihren Einfluss auf dem Balkan zu verlieren, wenn Mazedonien und die EU näher zusammenrücken«, vermutet Viktor Gobarev.

Auch Regierungssprecher Milososki hält die Pipline-These für überzogen: »Der ganze Konflikt hier hat erst richtig angefangen, als wir ein Stabilitätsabkommen mit der EU unterzeichnet haben«.

Der erste Schritt zu einer erneuten Annäherung zwischen der Europäischen Union und Mazedonien jedenfalls soll nun ausgerechnet über den Pensionisten Roman Herzog erfolgen. »Er war Präsident des deutschen Verfassungsgerichtshofes und dann Staatspräsident. Wir würden es sehr begrüßen, wenn er die Verhandlungen über eine Reform unserer Verfassung unterstützt«, lässt ihm der mazedonische Premierminister Ljubco Georgevski über seinen Sprecher Milososki ausrichten.

Vielleicht wäre das Engagement Herzogs sogar ein willkommener Anlass, den US-Vermittler Pardew endlich loszuwerden. Schon allein Pardews Lebenslauf behagt der Regierung in Skopje nicht. Im Bosnien-Krieg war der Offizier beauftragt, die muslimisch-bosnische Armee mit Nachschub aus der Luft zu unterstützen.

Die Wahl der beiden internationalen Vermittler zeigt deutlich, wie widersprüchlich die Interessen von Amerikanern und Europäern sind. Pardew und der EU-Vermittler François Léotard könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Pardew in Bosnien versuchte, US-Interessen durchzusetzen, war Léotard 1993 als französischer Verteidigungsminister bemüht, in Ruanda den US-amerikanischen Einfluss zurückzudrängen. »Die beiden reden kaum miteinander - jedenfalls nicht mehr als nötig«, beschreibt ein Mitarbeiter des mazedonischen Außenministeriums die nicht gerade vertrauensvolle Gesprächsbasis der beiden Vermittler.

Für die Regierung in Skopje ist Pardew auch derjenige, der das aktuelle Verhandlungschaos zu verantworten hat. Er sorgte dafür, dass aus dem sowohl für die mazedonischen wie auch für die Parteien der albanischen Minderheit akzeptablen Verfassungsentwurf des ehemaligen französischen Justizministers Robert Badinter ein Streitpapier wurde. »Man hat dafür gesorgt, dass Badinter brutal aus dem politischen Prozess eliminiert wird«, meinte Premier Georgevski.

Wenn sich die Verhandlungsparteien jetzt im Hotel Palace Alexander am Ohrid-See treffen, so müssen sie die Schäden, die Pardew angerichtet hat, wieder reparieren. An zwei wesentlichen Punkten scheiterte bislang eine Einigung: An der Einführung des Albanischen als zweite Amtssprache in ganz Mazedonien und an der Aufstellung einer lokalen Polizei in Gebieten, in denen meist albanisch gesprochen wird.

Die mazedonische Regierung möchte beides auf keinen Fall zulassen: Albanisch soll nur in jenen Landesteilen zweite Amtssprache werden, in denen auch mehr als 20 Prozent der Bevölkerung albanischer Herkunft sind. Die Aufstellung einer lokalen Polizei in den mehrheitlich albanisch besiedelten Gebieten lehnt man völlig ab. Diese Polizei, so argumentiert man in Skopje, wäre nichts als ein Auffangbecken für die UCK. »Wir würden damit sowohl die organisierte Kriminalität ins Land holen als auch den Terroristen zugestehen, dass sie einfach zu Polizisten werden«, sagt Antonio Milososki.

Der Ort des Treffens der Konfliktparteien ist symbolhaft für das Scheitern internationaler Interventionen auf dem Balkan. Im März 1999 quartierten sich im selben Hotel die meisten jener 1 300 OSZE-Beobachter ein, die schon im Kosovo kläglich gescheitert waren.

Es wäre allerdings zu einfach, ausschließlich die US-amerikanischen und europäischen »Vermittler« für das bisherige Scheitern der Friedensbemühungen verantwortlich zu machen. Auch die Regierung in Skopje hat zahlreiche Fehler begangen. Sie hat in den vergangenen sechs Monaten gezeigt, was es heißt, völlig planlos in einen Konflikt hineinzustolpern. Zuerst erfüllte sie diszipliniert die Wünsche der Nato, um dann plötzlich eine diplomatische Kehrtwende einzuschlagen. Schließlich war das seltsame Verhältnis der US-Amerikaner zur UCK im Kosovo schon länger bekannt. Und eine Schließung der Grenzen zum Nato-Protektorat hätte auch schon lange vor der Eskalation erfolgen können.

Professionell ist die Vorstellung der mazedonischen Regierung allerdings auch aus militärischer Sicht nicht. »Die Moral der Armee ist durch diese widersprüchlichen Befehle und das monatelange Hin und Her sehr angeschlagen«, sagt Viktor Gobarev und meint damit die Zermürbung der mazedonischen Streitkräfte durch den ständigen Wechsel von Waffenstillständen und erneuten Gefechten.

Die Operation »Essential Harvest«, die Entwaffnungsaktion der Nato, wird daher wohl noch länger auf sich warten lassen, da jede politische Basis für ein solches Eingreifen fehlt. Auch militärisch wird die Ernte wohl mager bleiben. Es ist kaum anzunehmen, dass die albanischen Separatisten ihre Waffen freiwillig vollständig abgeben werden.

Für den deutschen Verteidigungsminister Rudolf Scharping könnte es daher sehr knapp werden, wenn es, wie geplant, Anfang August zu einer Abstimmung im Bundestag über eine deutsche Beteiligung an einem Nato-Einsatz in Mazedonien kommen sollte. Scharping rechnet zwar weiterhin mit einer parlamentarischen Mehrheit, doch bis Ende vergangener Woche haben sich bereits 21 SPD-Abgeordnete einer Erklärung angeschlossen, in der die Entsendung deutscher Soldaten für eine Nato-Mission abgelehnt wird. »Als Konfliktschlichter ist die Nato ungeeignet«, da sie in Mazedonien »kein Vertrauen« besitze, heißt es dort lapidar. Da auch einige Grüne angekündigt haben, im Bundestag mit Nein zu stimmen, hat die Regierung in Berlin derzeit keine eigene Mehrheit für das Mandat.

Die Frage, ob der Einsatz in Mazdeonien überhaupt sinnvoll ist, stellt sich auch Helmut Meyer, Vorstandsmitglied des Bundeswehrverbandes: »Die Waffen könnten auch an der Grenze zum Kosovo eingesammelt werden«, meint er.

Diese Erkenntnis hat die im Kosovo stationierte Kfor schon lange, danach gehandelt hat sie aber nicht. Auch wird die Vorgehensweise, die Meyer vorschlägt, wohl nicht zur Befriedung Mazedoniens führen. An der Grenze zwischen Kosovo und Mazedonien müssten Kontrollstellen errichtet werden, an denen die UCK-Mitglieder ihre Waffen abgeben können. Kaum anzunehmen, dass sich allzu viel Friedliebende an den Kontrollstellen einfinden werden.