Neonazis in Genua?

Parla tricolore

<none>

Nach den heftigen Straßenschlachten in Genua brodelt die Gerüchteküche. Immer wieder ist zu hören, dass viele der zertrümmerten Geschäfte, Banken und der angezündeten Autos auf das Konto von Neonazis gingen, die die Aktionen gegen den G 8-Gipfel infiltriert hätten. Gab es Nazis unter den Demonstranten in Genua?

Vieles spricht dafür. Bereits am 18. Juli hatte das Genoa Social Forum (GSF) die Behörden über militante Rechtsextremisten informiert, die mit zwei Bussen aus der Emilia Romagna angereist waren und sich in der Gegend von Marssi mit ihren Zelten niedergelassen hatten. Die Polizei reagierte jedoch nicht auf die Hinweise des GSF-Sprechers Vittorio Angnoletto.

Zudem präsentierte der Vorsitzende der Olivenbaum-Fraktion im Senat, Gavino Angius, letzte Woche ein Dossier, das die Polizeibehörde von Genua schon mehr als eine Woche vor dem Gipfeltreffen zusammengestellt hatte. Darin wird davor gewarnt, dass sich militante Rechtsextremisten unter die Demonstranten mischen könnten, um mit Angriffen gegen die Polizei die Globalisierungsgegner zu diskreditieren. In dem Dossier, das vergangenen Donnerstag von der Tageszeitung Il Secolo XIX aus Genua veröffentlicht wurde, ist von 25 bis 30 Neonazis aus Turin die Rede, die sich angeblich unter die Tute Bianche mischen wollten.

Nach der Kundgebung am Samstag während des Gipfels fanden Mitglieder des Bologna Social Forum in einem Müllcontainer einen Rucksack, in dem sie neben einer kugelsicheren Weste auch Aufkleber mit weißen Totenköpfen auf schwarzem Grund fanden, dem Symbol der faschistischen Todesbrigaden aus den zwanziger Jahren.

Drei Journalisten der Agentur Italpress News berichteten, einen Tag zuvor einem 26jährigen Mann aus Birmingham begegnet zu sein, der keltische Kreuze auf den Arm tätowiert hatte. »Ich bin Nazi, kein Anarchist: Ich bin hier, um alles kurz und klein zu schlagen. Die G 8 und der Anti-Globalisierungsquatsch interessieren mich nicht«, zitiert ihn die Agentur. Der Rechtsextreme gehöre zur Gruppe der »Black dogs«. Seinen italienischen »Brüder« hätten ihm gesagt, er brauche keine Angst vor der Polizei zu haben, »die würde uns machen lassen, was wir wollen, und uns nicht anfassen«.

Es sind vor allem kleine Episoden, die darauf hinweisen, dass Neonazis in Genua auf der Straße unterwegs waren. Ein Journalist hörte beispielsweise Demonstranten unter Hassmasken englisch sprechen. Bis ein Mitglied der Gruppe sie mit Bezug auf die italienischen Nationalfarben aufforderte: »Parla tricolore - sprich italienisch«.

Auch Verbindungen zwischen der Polizei und Rechtsextremen werden nicht ausgeschlossen. So filmte der italienische Regisseur Davide Ferrario zwei schwarz maskierte Personen, die unbeschwert auf eine Gruppe Polizisten zugingen, während die Straßenschlachten schon im Gange waren. Einer der Maskierten trug eine Polizeimarke um den Hals.

Die Tageszeitung Il Messagero zitierte Ende vergangener Woche den Vorsitzenden der Fronte Nazionale in Frosinone, Biagio Cacciola. Nach seinen Angaben sollen ungefähr dreihundert Anhänger der rechtsextremen Organisation nach Genua gereist sein. »Diese Demonstration fasst viele Themen und Werte zusammen, für die wir seit den Zeiten des MSI kämpfen«, erklärte er. Die Movimento Sociale Italiano war nach dem Zweiten Weltkrieg die wichtigste Partei der italienischen Faschisten.

Die originellste Erklärung für Gerüchte über eine angebliche Beteiligung von Neonazis an den Riots hatte allerdings Roberto Fiore, der Vorsitzende der rechtsextremen Organisation Forza Nuova: »Das ist eine Verleumdung der Geheimdienste, die der Linken nahe stehen.«