»Planet der Affen«

Planet der amerikanischen Mythen

Im Original von »Planet of the Apes« ging es um die race relations in den USA der späten sechziger Jahre, die Neuverfilmung von Tim Burton ist einfach nur misslungen.

Nur wenig Dinge sind im Kino so umstritten und semiotisch so schwer zu durchdringen wie Remakes. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, scheint das ästhetische Scheitern geradezu programmiert, auch wenn keiner so richtig weiß, warum eigentlich. Meist sind sie härter, schneller, lauter - und bei eher überschaubarem künstlerischen Anspruch vor allem: teurer.

Das, rund zehn Jahre lang von Oliver Stone, James Cameron und anderen vorbereitete, nun in den Händen Tim Burtons realisierte Remake-Projekt von »Planet Of The Apes« fällt leider ebenfalls in diese Kategorie, auch wenn sich Burton bereits vorher ein schickes Wort ausgedacht hatte: Bei seinem Neueintrag in den »Planet Of The Apes«-Pop-Mythos handle es sich nicht um ein Remake, sondern um eine »re-imagination« - was immer das sein mag, außer einer semantisch verunglückten Beschwörung von Burtons Autorensignatur visueller »Imagination«. Tim Burtons Umgang mit dem hochgradig aufgeladenen »Planet Of The Apes«-Stoff ist so einfallsreich wie eine Neuerfindung des Rads und selbst als Stück eines F/X-gesättigten Popcorn-Kinos ist er kaum mehr als quälend langweilig.

»Planet Of The Apes« war in den späten sechziger und siebziger Jahren eine der ersten und erfolgreichsten Kino-Serien. Zwischen 1968 und 1973 entstanden insgesamt fünf Teile, eine Fernsehserie und eine TV-Animationsserie folgten, die Marvel-Comic-Alben gehörten zu den erfolgreichsten in der Geschichte des Verlags. Songwriter Paul Williams trat bei einer Performance in der »Tonight Show« in voller Affenmontur auf, und der Zoo in Los Angeles nannte einst ein Gorilla-Baby Caesar - nach der Hauptfigur aus den letzten drei Teilen. »Planet Of The Apes« gehörte zu den ersten Filmen, für deren Merchandising so viel ausgegeben wurde wie für ihre Produktion. Noch heute tauscht eine begeisterte Fangemeinde im Internet Spielzeugfiguren, Schallplatten und Masken.

Die Gangster-Rapper von Lench Mob nannten das Nachfolge-Album zu ihrer Platte »Guerillas in tha Mist« einer gewissen Logik folgend »Planet Of Da Apes«, Mel Brooks und die Simpsons bezogen sich unterschiedlich schlau auf die Ikonografie der Filme. Und nur wenige Monate vor der Premiere von Spike Lees »Do the Right Thing«, in dem der Filmtitel mit rassistischen Konnotationen verwandt wurde, fotografierte der Zeitungsjournalist Rex Perry eine Ku-Klux-Klan-Demonstration, auf der ein mit gestrecktem Arm grüßender Skinhead ein Transparent trägt, das die traditionsreiche Bürgerrechtsorgansitation NAACP als »Planet Of The Apes« tituliert.

»Planet Of The Apes« hat sich für immer in das globale popkulturelle Gedächtnis eingebrannt. Dass es sich dabei um weit mehr handelt, als um Retrofutter für siebziger-Jahre-Nostalgiker, hat der amerikanische Filmhistoriker Eric Greene in einer Untersuchung dargelegt, die ganz sicher zur vergnüglichsten Sorte der Cultural Studies gehört, die sich derzeit zwischen zwei Buchdeckeln erwerben lässt.

Science Fiction hat immer »wilde« Lektüren nach sich gezogen. Zuletzt etwa die von »The Matrix« angeregte Polit-Scholastik, die gestandene Autonome heimlich ins Kino strömen ließ und mit einem »ideologietheoretischen« Symposium in Karlsruhe endete, bei dem die üblichen Verdächtigen von Slavoj Zizek bis Elisabeth Bronfen nach Althusser- und Lacan-Referenzen auf dem Feld des symbolischen Anderen landeten.

Greene hingegen lässt die ganz großen Geschütze dankenswerterweise auf dem methodischen Abstellplatz und konzentriert sich auf die minuziöse Rekonstruktion des Produktions- und Rezeptionskontextes des Films vor dem Hintergrund der race relations in den USA der sechziger und siebziger Jahre. In »Planet Of The Apes as American Myth: Race, Politics and Popular Culture« hat er sich Produktionsnotizen, verschiedene Drehbuchfassungen, Kritiken und Werbematerial vorgenommen. Greene zeigt, dass die politischen Lesarten des Zyklus von Anfang an unter den Machern sowohl kommerziell motiviert wie umstritten waren - und exemplarisch die ideologische Krise des Hollywood-Selbstverständnisses jener Jahre illustrieren.

Als »Planet Of The Apes« 1968 in die Kinos kam, hatte der Film bereits eine vierjährige Produktionsgeschichte hinter sich, in der sich die gleichnamige Sci-Fi-Romanvorlage des französischen Autors Pierre Boulle so rapide verändert hatte wie der politische Diskurs jener Jahre. Was bei Boulle als Swiftsche Satire über den Umgang des Menschen mit der Tierwelt angelegt war, entwickelte sich in den Händen des zweiten Drehbuchautors Michael Wilson (»Bridge Over The River Kwai«, »Lawrence of Arabia«) immer mehr zur politischen Parabel auf die Bestrebungen des Civil Rights Movement, die Eskalation des Kriegs in Vietnam und die Bedrohung der westlichen Hegemonie durch die Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt.

Wilson war in Hollywood kein Unbekannter. In den fünfziger Jahren gehörte er zu den »unfreundlichen« Zeugen, die bei den anti-kommunistischen Schauprozessen des Senators McCarthy die Aussage verweigerten; er zählte zu den mit Berufsverbot belegten Machern des unabhängig produzierten Films »Salt of the Earth«, einem der Manifeste des Hollywood-Liberalismus im Cold-War-Amerika, und er schrieb das Script für Richard Fleischers Che-Guevara-Film - von dem er sich später aus politischen Gründen wieder zurückzog.

Im krisengeplagten Hollywood ließ man ihn dennoch gewähren. Dort war man in jenen Prä-Blockbuster-Jahren froh, überhaupt irgendwie den Anschluss an die Gegenwart zu finden und sei es auch nur durch einen kurzen Flirt mit den Themen der Gegenkultur. Aus dieser historischen Konstellation heraus entstand unter der Regie Franklin Schaffners der Grundstein für den ersten Science-Fiction-Epos der Filmgeschichte, eine Art politisch korrektes »Star Wars« für Erwachsene, der sich von allem Vorhergehenden und Folgenden durch seine dystopische Qualität abhob.

Vor der Matrix einer verkehrten Welt, in der die Affen die Macht übernommen haben und Menschen als Sklaven halten, beschäftigten sich die fünf Kinofilme samt Spin-Offs bis Mitte der Siebziger gleich mit einer ganzen Reihe zeitgenössischer Ängste. In »Planet Of The Apes«, dem ersten Teil des Zyklus, stürzt der Astronaut Taylor (Charlton Heston) mit seiner Crew auf einem Wüstenplaneten ab und stößt auf eine Horde von stummen Menschen, die bald von Sklavenjägern aufgegriffen und verkauft werden. Taylors afroamerikanischer Kollege wird in einem Museum ausgestopft, er selbst gerät in die Obhut des intellektuellen Schimpansenpärchens Kira und Cornelius, die als Wissenschaftler neuartige Thesen vom gemeinsamen biologischen Ursprung der beiden Primatenrassen aufstellen und glauben, im sprechenden Heston ihren »missing link« gefunden zu haben.

Das Casting Hestons war ein genial-bösartiger Schachzug: Heston war der archetypische männliche, weiße Held jener Jahre, der auf verlorenem Posten die Interessen des Westens verteidigte. In »El Cid« (1961) und »Kathoum« (1964) kämpfte er in einem letzten Kampf gegen aufbegehrende arabische Horden, in »55 Days at Peking« (1963) gegen chinesische Boxer. In »Planet Of The Apes« hingegen wurde er ständig halbnackt und in Ketten vorgeführt und musste am Ende feststellen, dass er sich im Amerika der Zukunft befindet und es nichts mehr zu verteidigen oder zu entdecken gibt.

Das Schlussbild einer im Sand versunkenen Freiheitsstatue gehört zu den berühmtesten Einstellungen des Kinos der sechziger Jahre. Kurz nach der Premiere soll der Entertainer Sammy Davis Jr. dem verdutzten Produzenten Arthur P. Jacobs von der 20th Century Fox überschwänglich mitgeteilt haben, »Planet Of The Apes« sei der beste Film, den er je über die Rassenverhältnisse in den USA gesehen habe. In der Folgezeit wurde das Bild des gefangenen Heston immer wieder in genau diesem Kontext situiert; zuletzt von den post-kolonialen Künstlern/ Theoretikern Guillermo Gomez-Pena und Coco Fusco in einer Installation im Whitney Museum Mitte der neunziger Jahre. Der zweite Teil, »Beneath the Planet Of The Apes«, machte diese Richtung noch deutlicher: »Can a planet long endure half human and half ape?«, lautete der Werbeslogan des Sequels von 1970. Amerikanische Zuschauer erkannten darin unschwer eine Anspielung auf Abraham Lincolns Prohezeihung, die Vereinigten Staaten könnten auf Dauer keine Teilung des Landes in »half-slave« und »half-free« ertragen.

Drehbuchautor Michael Dehn und Regisseur Ted Post beantworteten die Frage konsequent pessimistisch. Ihr Film endete in der von religiös-konservativen Fanatikern herbeigeführten nuklearen Apokalypse. Eine positive Konfliktlösung oder die kathartische Regeneration der Nation durch Gewalt gab es im ganzen Zyklus nicht. Von Anfang an gespickt mit Anspielungen auf die Segregation und den anthropologischen Rassismus des 19. Jahrhunderts, ließ die Affen-Metapher keine Zweifel an ihrer Bedeutung.

Der Biologie-Historikerin Donna Haraway folgend, argumentiert Greene, nehmen Menschenaffen im evolutionistischen Diskurs eine privilegierte Position als Grenzgänger an der Schnittstelle zwischen den Polen Natur und Kultur ein. Als der weißen Selbstermächtigung dienende Ursprungserzählungen sind sie rassistischen Konstruktionen des Primitiven strukturell verwand. Dem Topos der Sprache kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu: 1772 »bewies« die afroamerikanische Sklavin Phillis Wheatley vor einem Komitee von Plantagenbesitzern in Boston ihren Status als »Mensch«, indem sie selbstverfasste Gedichte präsentierte und ihre Lateinkenntnisse prüfen ließ.

Die auf »Beneath The Planet Of The Apes« folgenden Prequels führten in die Gegenwart und radikalisierten die knallbunt-bonbonfarbene Herr-Knecht-Dialektik der Serie noch um einige weitere Black Power-Anspielungen. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung 1972 im vierten Teil, »Conquest Of The Planet Of The Apes«. Hier geht es um einen faschistischen Polizeistaat, der vom Sklavenhandel mit Affen aus der Dritten Welt profitiert. Für die von einem »liberalen« Afroamerikaner unterstützte Revolution der Affen gegen ihre menschlichen Unterdrücker ließ sich der Regisseur J. Lee Thompson (»Cape Fear«, »Guns Of Navarone«) nach eigenen Aussagen von den Fernsehbildern der brennenden Ghettos in Watts inspirieren; er näherte sich so der gerade einsetzenden Blaxploitation-Welle. Der Messiasgleich gezeichnete Schimpansenführer Caesar ergeht sich im Kampf gegen »The Man« in einer trashig-Fanonschen Gewaltmetaphysik und ruft am Ende, in Anspielung auf den Kino-Rassisten D.W. Griffith, die »Geburt« eines »Planeten der Affen« aus. Schwarze Amerikaner, so eine von Greene zitierte Kritik, sollen ihm im Kinosaal beim Triumph über die »pigs« massenhaft »Right On!« zugejubelt haben.

Danach war Schluss mit lustig: »Conquest« musste mehrfach umgeschnitten werden. Eltern mit ihren Sprösslingen verließen entsetzt die Vorstellung, und »Whitey« setzte zum Gegenschlag an. Inszenierte der fünfte Teil noch auf dem Niveau des Ewoks-Films den Umschlag der Revolution in eine neue Gewaltherrschaft, kehrten die TV-Serien und Comics nun vollends, wie auch Hollywood nach Ende des Vietnam-Kriegs, zum Mythos von der white supremacy zurück: In ihnen trampeln amerikanische Astronauten moralisch ungeschlagen wie ein Peace Corps über den »Planeten der Affen« und lassen die Verdammten der Erde paternalistisch an den Segnungen der westlichen Zivilisation teilhaben.

All diese Referenzen liegen wie Altlasten aus einer Zeit der Systemfrage über dem Stoff. Und sie haben die Erwartungen auf ein Remake nicht gerade gefördert. Dabei war Tim Burton (»Batman«, »Mars Attacks«, »Sleepy Hollow«) eigentlich nicht die schlechteste Wahl, vertrauten doch all seine zitatlastigen Filme auf das cineastische Vorwissen des Publikums und die Kenntnis populärer Mythen. Allein: Mit »Planet Of The Apes« und seinem düsteren Subtext kann er einfach nichts Sinnvolles anfangen.

Dunkel ist in seiner Neuauflage des ersten Teils allein das erwartungsgemäß bombastische Studio-Design, das in einer Art ewigen Vormoderne schwelgt; erzählerisch gelingt es ihm weder, eine zeitgenössische Fortführung der politischen Kritik des Originals zu finden, noch eine halbwegs liberale Art, sie zu ironisieren. So bleibt es bei ein paar müden Rodney-King-Anspielungen und weitgehend recycleten Dialogen. In Sachen inter-species sexuality wagt er sich etwas weiter vor; dafür verzichtet er gänzlich auf die in der Vorlage deutlich gezeichnete Klassenstruktur unter den Affen und lässt seine Version auf einem fernen Planeten spielen, um erst mit einer abgestandenen Schlusspointe pflichtschuldig auf die Erde zurückzukehren.

Adaptiert Burton in der ersten Hälfte noch ziemlich penibel das Original, kippt die zweite, kaum aufregendere, in die Monumentalität des Sandalenfilms weg. Zudem entschied sich Burton für den denkbar reaktionärsten Ausweg. Ein völlig ungebrochener Mark Wahlberg zettelt als notgelandeter Weltraum-Blauhelm mit überlegener Militärtechnik einen Aufstand der Menschen gegen die Affen an. Wenn das Waffengeklirre mit großem Rumms die längst obligatorischen Martial-Arts-Anleihen ablöst, dann führt Burton auch überdeutlich jenen Hollywood-Heroismus wieder ein, den »Planet Of The Apes« mit jeder Zeile, vor allem aber auch durch das ironische Casting von Charlton Heston, demontiert hatte. Heston war damals schon bekennender Sympathisant der National Rifle Association, heute ist er ihr Vorsitzender. So gesehen, bringt Burton »Planet of the Apes« tatsächlich erfolgreich nach Hause, da Sätze wie »History is full of great men« und »Sometimes a few can make a difference« fallen.

Das erinnert fatal an die Degenerationsphase des gesamten Zyklus und dessen Modell vom Management »ethnischer Konflikte«, passt aber auch prima zum kraftmeierischen Regierungsantritt George W. Bushs. Besser wird das alles auch nicht durch Mark Wahlberg, der eigentlich zu den interessanteren Schauspielern zählt. Bei Burton spielt der einstige Rapper so gelangweilt als übe er bereits für einen Part in »Escape from the Planet Of The Apes«. Dabei scheint er sich an seine Zeit als Marky Mark erinnert zu haben, in der er sich für keine Unkorrektheit zu blöde war. Auf die Frage nach der sexuellen Attraktivität der Affendarsteller verglich er die zentrale Schimpansenfigur des Films erst kürzlich in einem Interview mit Janet Jackson.

Helena Bonham Carter und Tim Roth machen ihren Job weitaus engagierter, wohl weil sie keine Peinlichkeit zu fürchten hatten, unter ihren Affenmasken sind sie ohnenhin kaum zu erkennen, genauso wenig wie Heston in einem Cameo-Auftritt. Nirgendwo freilich spiegelt sich der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit in allem Elend deutlicher als bei Kris Kristofferson. Der sieht inzwischen so verwarzt aus, als hätte er sich für seine Rolle nicht einmal mehr umziehen müssen. Ob er einen Affen oder einen Menschen spielte, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern.

Eric Greene: »Planet Of The Apes as American Myth: Race, Politics and Popular Culture«. Wesleyan University Press 1998, 294 S., 19,95 Dollar

Planet der Affen. USA 2001, R.: Tim Burton, D: Mark Wahlberg, Tim Roth, Helena Bonham Carter, Start: 30. August