Kalter und heißer Krieg

Enduring War

<none>

Enduring Freedom: Am 7. Oktober haben die US-amerikanische und die britische Armee begonnen, sich dauerhafte Freiheit im Luftraum über Afghanistan zu schaffen. Wie viele Menschen an Kollateralschäden sterben und welche Gesellschaft sie hinterlassen wird, wenn die USA feststellen, die Kriegsziele seien erreicht, darüber lässt sich vorerst nur spekulieren. Deutlich ist dagegen, dass Afghanistan nicht die einzige Front im lang andauernden kalten Krieg sein wird, den Donald Rumsfeld zwei Tage vor dem Beginn der Angriffe angekündigt hat.

Schon der Truppenaufmarsch verdeutlichte die Kräfteverhältnisse, die in ruhigeren Zeiten weniger sichtbar sind. So ließ sich die Diplomatie ganz hervorragend beschleunigen. US-Truppen in Usbekistan? Auf einmal kein Problem, Russland protestiert nicht einmal. In ungeahnter Geschwindigkeit konnte die US-Regierung sich einen ganz neuen Einfluss in Regionen verschaffen, an denen sie schon lange interessiert war.

Trotzdem wäre es falsch, den USA vorzuwerfen, sie hätten die Anschläge nur benutzt, um ihre weltweiten Interessen durchzusetzen, strategische Planungen im Schnelldurchlauf zu realisieren, die schon vorher in der Schublade lagen. Diese politisch-militärische Offensive verfolgt auch neue Ziele. Es geht nicht nur um wirtschaftliche Interessen, es geht nicht nur darum, regionale Mächte zurechtzustutzen. Es geht auch um die Bekämpfung des Terrors, um einen Kampf gegen Strukturen, die nur teilweise an Staaten gebunden sind. Damit wird imperiale Politik auch neue Formen annehmen, die die Grenzen zwischen militärischen und polizeilichen Mitteln verschwimmen lassen.

Ganz die alten sind dagegen die verbündeten Konkurrenten in der Nato geblieben. Je länger das Warten auf den Krieg dauerte, desto deutlicher traten die eigenen Ambitionen wieder hervor. Während Blair an der Seite der USA Weltmacht spielt, bedauern die Deutschen ihre zu geringen Machtmittel. Das ist nichts Neues, aber der Maßstab hat sich rasant verschoben. Was hat man schon davon, in Mazedonien erstmals einen Natoeinsatz leiten zu dürfen, wenn andere einen weltweiten Feldzug führen? Die geheuchelte und die tatsächliche Betroffenheit wichen und es wurde deutlich, was mit »Wir sind Amerikaner« auch gemeint war: »Wir wären gerne so stark wie die Amerikaner.« Der Wichtigtuer Scharping verriet immer wieder, wie gerne Deutschland doch noch mehr Gewicht hätte, und zwar nicht nur im gemeinsamen Kampf gegen den Terror, sondern zur Durchsetzung eigener Interessen.

Zeitungen, die sich Sorgen um die staatlichen Interessen machen, werden deutlicher. Die Süddeutsche bedauert, dass »abgesehen von dem einen oder anderen Feldlazarett«, nicht viel an deutschen Spielsteinen im Great Game bleibt. Die FAZ läutet das Ende der außenpolitischen Spaßgesellschaft Europa ein: »Die Zeiten, in denen man zu jedermann gute Beziehungen pflegen kann, sind fürs erste aber vorbei. Europa hatte schon immer Interessen jenseits seiner Grenzen. Jetzt muss es sich darüber verständigen, wie diese zu verfolgen sind.« Das heißt, besseres Militär muss her. Nur so ist Schröders und Scharpings Ankündigung vom Ende der Scheckbuchdiplomatie in die Tat umzusetzen.

Dieses Mal scheint es im Wesentlichen dabei zu bleiben, und nach den ersten Raketentreffern waren zunächst wieder Bekenntnisse zur unbedingten Solidarität gefragt. In Afghanistan haben die Deutschen nicht viel zu melden, aber auch nicht viel zu verlieren. Anders könnte es aussehen, wenn die angekündigten Angriffe auf weitere Länder folgen. Einige europäische Verbündete könnten nervös werden, mutmaßte Henry Kissinger am Abend der Angriffe. Und die FAZ verrät, welche Länder und Konflikte sich anbieten: »Der Irak ist in jüngster Zeit mit China ins Geschäft gekommen, Teheran versteht sich mit Moskau gut, an Ländern wie Sudan und Libyen sind die Europäer aus wirtschaftlichen Gründen interessiert.« Der kalte Krieg kennt viele Fronten.