Einwanderungsdebatte im Bundestagswahlkampf

NPD ist überall

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Während allenthalben über das zwielichtige Vorgehen des Verfassungsschutzes bei der Bespitzelung der NPD diskutiert wird, gerät ein anderer Skandal völlig aus dem Blick: die Unterwanderung der bürgerlichen Parteien durch die Rechtsextremen. Hierfür mögen nur zwei Beispiele aus der vergangenen Woche stehen.

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Geis (CSU), gab sich in der Fernsehsendung »Vorsicht Friedman!« als rechtspopulistischer Sprecher zu erkennen und verteidigte den Begriff der »durchrassten Gesellschaft«, den Edmund Stoiber (CSU) vor Jahren geprägt hatte. Stoiber habe nur darauf hinweisen wollen, dass Deutschland den Deutschen gehören solle wie Frankreich den Franzosen oder Italien den Italienern, erläuterte Geis und fragte schließlich vor Millionen Zuschauern: »Warum lasst ihr nicht Deutschland den Deutschen?«

Ob V-Mann oder nicht, die NPDler, die es sich auf dem Sofa vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatten, dürften große Augen bekommen haben. Deutschland den Deutschen? Auf diesen Slogan hatten sie doch bisher das Copyright, pardon, das Urheberrecht! Die NPD zeigte sich in einer Presseerklärung »überrascht über die Zivilcourage« des CSU-Mannes und bekundete ihm »den Respekt aller Deutschen, die ihre Heimat lieben und ihre Identität nicht aufgeben wollen«.

Bei der SPD, den Grünen und der PDS riefen die Äußerungen von Norbert Geis dagegen Empörung hervor. Volker Beck von den Grünen forderte die Union auf, sich von den »rassistischen Ausfällen« zu distanzieren, Petra Pau (PDS) sprach von einem »Aufstand der Unanständigen«. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte: »Geis hätte besser geschwiegen.«

Dabei hätte Wiefelspütz besser geschwiegen, denn er lieferte am selben Tag den zweiten Hinweis darauf, dass die NPD, zumindest mit ihrer Programmatik, längst die bürgerlichen Parteien infiltriert hat. Wiefelspütz versuchte, angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen dem Volk aus der Seele zu sprechen: »Die Akzeptanz für ein Zuwanderungsgesetz schwindet natürlich drastisch angesichts von 4,3 Millionen Arbeitslosen.« Als Konsequenz forderte er »null Zuwanderung in den nächsten Jahren« für mittelmäßig und gering Qualifizierte, denn es müsse endlich »die Botschaft rüberkommen: Die Arbeitslosen in Deutschland - ob Deutsche oder Nicht-Deutsche - haben absoluten Vorrang vor jeder Art, den weiteren Zugang von außen für Ausländer zu erweitern«.

Ausländerstopp jetzt! Diese Botschaft ist rübergekommen. Allerdings war das in den frühen achtziger Jahren die zentrale Forderung der NPD. Und die Formel, dass Arbeitslose - »ob Deutsche oder Nicht-Deutsche« - Vorrang haben sollten vor den Zuwanderern, kaschiert nur schlecht die tatsächliche Botschaft, die jeder versteht und die da lautet: Arbeit zuerst für Deutsche. Und auch dies ist eine altbekannte Forderung der NPD.

Es hat also keinen Sinn mehr, die rechtsextreme Partei zu verbieten, denn sie hat sich offensichtlich längst ein breites Netz aus Nachfolgeorganisationen aufgebaut. Wie der Verfassungsschutz seine Leute in die Führungsgremien der NPD eingeschleust hat, so scheint die NPD ihre Leute in den Führungsgremien der bürgerlichen Parteien untergebracht zu haben.

Vielleicht sogar auf der höchsten Ebene. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte in der vergangenen Woche, wem es nicht gelinge »die durchaus vorhandenen Begabungsreserven bei sozial Schwächeren zu nutzen«, der »sollte es lassen, über Einwanderung zu diskutieren«. Dabei wird über Einwanderung gar nicht diskutiert, sondern über einen Einwanderungsstopp. Die Begabungsreserven deutscher Politiker, Forderungen der NPD zu übernehmen, sind jedenfalls gewaltig.