Die Linke und das Weltsozialforum in Porto Alegre

Mischt euch ein!

Das Weltsozialforum in Porto Alegre erarbeitet nicht nur Reformvorschläge, sondern es stellt eine Globalisierung von unten dar.

Porto Alegre ist wie Seattle, Prag oder Genua zu einem Symbol für die globalisierungskritische Bewegung geworden. In der Tat verbindet das Weltsozialforum (WSF), das in diesem Jahr zum zweiten Mal in der brasilianischen Hafenstadt stattfand, einiges mit früheren Protesten. Es versteht sich als Widerpart einer Veranstaltung der globalen ökonomischen und politischen Eliten, nämlich des Weltwirtschaftsforums (WEF), das gleichzeitig in New York stattfand.

Allerdings wies das WSF einen wichtigen Unterschied zu den genannten Protesten auf. Im Gegensatz zu diesen ereignete es sich räumlich weit entfernt vom Stein des Anstoßes, dem Weltwirtschaftsforum. Die Ortswahl war in mehrfacher Hinsicht symbolisch. Zum einen liegt Porto Alegre in einem Land der Dritten Welt. Die Eliten treffen sich dagegen in aller Regel in den Metropolen der Weltwirtschaft. Zum anderen ist Porto Alegre nicht irgendeine Stadt. Die regierende Arbeiterpartei hat sie vielmehr allen Globalisierungszwängen zum Trotz zu einem Vorbild partizipativer Kommunalpolitik gemacht.

Zum dritten zeigte die Weigerung, das Weltsozialforum am selben Ort wie das Weltwirtschaftsforum stattfinden zu lassen, dass man sich nicht länger nur an der Agenda der Regierenden abarbeiten will. Es sollten eigene Räume geöffnet werden, in denen emanzipatorische Kräfte an Alternativen zur kapitalistischen Globalisierung arbeiten können.

Hierin liegt sowohl eine große Chance als auch eine Gefahr für die globalisierungskritische Bewegung. Sie ist bekanntlich kein homogener Akteur. Sie vereinigt eine Vielzahl unterschiedlicher Politikverständnisse und Aktionsformen. Solange sich der Protest gegen die institutionellen Zentren kapitalistischer Globalisierung richtet, ist dies auch nicht weiter problematisch. Die Schwierigkeiten beginnen, wenn es wie beim WSF auch um Alternativen zum Bestehenden geht.

Für den gesellschaftlichen Mainstream ist die Angelegenheit klar. Alternativen sind Rezepte, die Auskunft darüber geben, wie eine andere Welt aussehen soll und zu erreichen ist. Ähnlich argumentieren Teile der globalisierungskritischen Bewegung. Spektakuläre Protestaktionen seien ja gut und schön, aber nun komme es darauf an, programmatische Alternativen zu entwerfen und mit diesen in die Offensive zu gehen. Solche Forderungen münden dann etwa in den von Susan George vorgeschlagenen planetarischen Gesellschaftsvertrag, eine Art Globalkeynesianismus, der vor allem dem Süden zugute kommen soll.

Dieses Bedürfnis nach Reformkonzepten macht die globalisierungskritische Bewegung zu einem willkommenen Objekt linker Kritik. So glaubt etwa Jochen Baumann, kaum noch Unterschiede zwischen den Kritikern und Verfechtern der Globalisierung erkennen zu können. (Jungle World, 7/02) Er schert das WSF und das WEF, wo ja auch über »Reformen« diskutiert werde, über einen Kamm. Die (unausgesprochene) Konsequenz dieser gerade in der deutschen Linken weit verbreiteten Meinung ist die Flucht in die Negation und das Vertrauen darauf, dass die dem Kapitalismus inhärenten Widersprüche alles zum Besten wenden werden.

Beide Auffassungen sind unbefriedigend. Das Beharren auf ausgearbeiteten Alternativen, das die »Politikfähigkeit« der Bewegung am Pragmatismus ihrer Forderungen misst, lässt die radikaldemokratische Offenheit vermissen, auf die eine heterogene politische Kraft unbedingt angewiesen ist. Demgegenüber ist die bloße Negation unhistorisch und verschließt sich den Widersprüchen, die das »Gemeindetreffen der Weltlinken« (die FAZ über das WSF) kennzeichnen.

Auf dem WSF werden keineswegs nur Regulierungswunschzettel erarbeitet. Das Sozialforum ist vielmehr auch ein Treffpunkt für zahlreiche Initiativen, die konkret an der Veränderung ihrer jeweiligen Lebensverhältnisse arbeiten und damit die herrschenden Verhältnisse von unten in Frage stellen, seien es Vertreter von Kleinbauernorganisationen oder eines »social movement unionism«. Die deutsche Linke sollte hier anknüpfen und sich jenseits von Negation und Globalkeynesianismus ins Handgemenge begeben.