Vorbereitung auf den 1. Mai in Berlin

Die Richtigen treffen!

Das Personenbündnis zum 1. Mai wird als Befriedungsinstrument für Kreuzberg völlig überschätzt.

Das so genannte Personenbündnis zum 1. Mai, das derzeit von einigen Szenegruppen in altvertrauter Verschwörungsrhetorik zu einem gefährlichen »Befriedungsprojekt« aufgeblasen wird, ist kaum mehr als eine diffuse Mischung aus Altlinken und Funktionären, die ihre eigene Standortlosigkeit und ihre Entfernung von Basisgruppen zum Programm gemacht haben und die seit längerem versuchen, für Wellen zu sorgen, auf deren Kamm sie den Schaum spielen können. Ihr Bündnis ist mehr von Naivität, Profilierungsdrang und Gutmenschentum geprägt als von strategischen Befriedungsinteressen. Sie glauben wohl wirklich, die Gewalt am 1. Mai gehe nur von der Polizei aus.

Das Projekt stellt aber offenbar eine so erhebliche Gefahr dar, dass die daran beteiligte Antifaschistische Aktion Berlin umgehend von einem linksradikalen Plenum ausgeschlossen werden musste, während eine Vertreterin der Berliner Regierungspartei PDS bleiben durfte. Die Bigotterie der Verbalradikalen führt zu kuriosen Bündnissen. So wird das seit Jahren maßgeblich von den Grünen mitorganisierte Straßenfest verteidigt gegen den »Befriedungsangriff« der Grünen. Hier Kriegspartei (alle Mitglieder haften für die Partei), da Bündnispartner (was geht mich mein dummes Geschwätz von eben an). Völlig beliebig werden Moralismus und Taktik gegeneinander ausgetauscht.

Der Streit darüber, wer aufrecht revolutionär und wer heimtückisch reformistisch ist, blockiert jede politische Strategiedebatte. Im Gut-Böse-Schema dieser einfachen Weltsicht gibt es keine wechselnden Kräfteverhältnisse, keine taktischen Optionen, keine Entwicklung, aber viel Misstrauen und Gehässigkeit. In fast schon sado-masochistischer Weise wird abwechselnd die eigene Stärke und die der grotesk personalisierten Feinde hochphantasiert. Viel Feind, viel Ehr!

Die ganze Kreuzberger Bevölkerung kämpft so angeblich gegen »Gysi, Strieder, Körting oder Grottian«. Oder wie steht es an einer Kreuzberger Häuserwand: Nieder mit der Realität!

Freilich ist das Personenbündnis mehr Bettvorleger als Tiger. Ohne die Mobilisierungskraft und Einsatzbereitschaft der radikalen Linken kann es den 1. Mai nicht wirklich (um-)gestalten. Und wenn ein relevanter Teil der radikalen Linken zur Sabotage aufruft, wird der Innensenat die Gelegenheit nutzen, das Konzept seinerseits abzulehnen. Nicht ohne zu erklären, wie gerne er bereit gewesen wäre, in »vernünftigem Rahmen« zu kooperieren, doch leider sei die Sicherheit jetzt nicht mehr zu gewährleisten.

Wenn die einfache Gleichung der KritikerInnen lautet, ein 1. Mai mit dem Personenbündnis sei ein 1. Mai ohne Randale und somit ein entpolitisierter, befriedeter 1. Mai, können sie beruhigt werden. Weder wird es ein polizeifreies Kreuzberg geben, noch wird die Randale ausbleiben.

Nicht dass ein friedlicher 1. Mai als Folge polizeilicher Abwesenheit an sich abzulehnen wäre. Ohne Polizei gibt es tatsächlich weniger Anlass für Unfriede. Aber weder die Tatsache, dass ein Teil der militanten AkteurInnen ohne bewusste politische Zielbestimmung handelt, noch die Existenz irgendwelcher politischer Oberlehrer delegitimiert die - auch offensive - Militanz des 1. Mai.

Selbstverständlich wäre es wünschenswert, die Auseinandersetzung dorthin zurückzutragen, wo sie letztlich ihre Ursache hat, also in die Viertel der Reichen und der Regierenden, nach Grunewald oder Mitte. Solange das nicht möglich ist, gibt es zumindest die Chance, das radikal praktische »Nein!« des 1. Mai politisch zu füllen. Und zwar nicht mit Abgrenzungsritualen innerlinker Reformismusdebatten, sondern mit Aussagen, die über die Linke hinauswirken. Sei es mit Hausbesetzungen und direkten Aktionen, sei es mit politischen Veranstaltungen auch in Kooperation mit Personenbündnissen. Und mit einer klaren Ansage, wohin wir mit der Militanz des 1. Mai wollen. Nicht Kleinwagen, Bushaltestellen und Telefonsäulen sind die Objekte unserer Begierde, sondern Panzerwagen, Arbeitgeberverbände und die Landesbank!