No War in Grafenwöhr

Am 18. März wollen »Autonome Nationalisten« vor dem Camp der US Army im bayerischen Grafenwöhr demonstrieren. von andreas speit

Der Applaus in Rettenbach kam von Herzen. Auf einer Veranstaltung zum »politischen Aschermittwoch« forderte der Landesvorsitzende der bayerischen NPD, Ralf Ollert, in der vorigen Woche den »Abzug aller fremden Truppen« aus Deutschland. Der größte »europäische US-Truppenübungsplatz in Grafenwöhr« sei zudem an das Land Bayern zurückzugeben. Ollert, der auch im Nürnberger Stadtrat sitzt, hofft, nach den Landtagswahlen 2008 »in das Maximilianeum einzuziehen«.

Doch nicht nur die NPD fühlt sich von den ausländischen Truppen auf der heimatlichen Erde bedroht. Auch die »Autonomen Nationalisten« (AN) wollen gegen die »weltweite Besatzungspolitik der USA« vorgehen. Ihre Schwabacher Abteilung will am 18. März in Grafenwöhr aufmarschieren, und zwar unter dem Motto: »Solidarität mit dem Iran – Gegen die One-World-Diktatur der USA!«

Einen großen Zuspruch dürften die Rechtsextremen mit den antiamerikanischen Parolen in der oberpfälzischen Stadt nahe Nürnberg kaum erfahren. »Wir leben mit diesem Stützpunkt«, sagt Bürgermeister Helmuth Wächter (SPD) und betont: »Wir leben sehr gut mit ihm.« In der struk­turschwa­chen Region ist das US-Militär ein großer wirt­schaft­licher Faktor. An dem größten Trup­pen­übungsplatz der US Army außerhalb der Vereinigten Staaten wohnen rund 15 000 Soldaten und Familienangehörige. An die 2 000 deutsche Zivil­angestellte arbeiten für die US Army. Bald könnten es noch mehr werden: Bis 2008 will die US-Regierung rund 700 Millionen Euro in den Ausbau des Standortes investieren. Seit 1990 besteht in Grafenwöhr eine Unteroffiziersschule, die ebenso erweitert werden soll.

»Gegen diese gesamte Erweiterung haben wir nichts einzuwenden«, versichert Wächter. Fast 100 Jahre lebe die Region mit und vom Trup­pen­übungs­platz, den im Jahr 1910 die Reichswehr einweihte und 1945 die US Army übernahm. Kritik ist bisweilen in der Presse der Region zu finden, die sich über Waffen- und Hubschrauberlärm sowie Luft- und Bodenverschmutzung beschwert.

»Ein Neo­naziaufmarsch bei uns in zwei Wochen?« Dem Bürgermeister war das am Freitag noch nicht bekannt. Dass da mal wieder wer gegen die USA protestieren wolle, wusste er, dass es Rechtsextreme seien, nicht. Von den Behörden habe er keinen Hinweis bekommen.

Ein Verbot des Aufmarschs ist gar nicht erst geprüft worden. »Nur die Route wurde in Absprache mit dem Anmelder leicht geändert«, bestätigt ein Polizeisprecher aus dem nahe gelegenen Weiden. 150 Rechte er­wartet die Polizei. Bei ihren Aktionen spie­len die Neonazis gerne Songs von »Wir sind Helden« oder »Ton Steine Scherben« ab. Seit Mai 2005 sind die AN um die Münchner Hayo Klettenhofer und Philipp Hasselbach im süddeutschen Raum aktiv. Sie greifen immer wieder linke Codes und Symbole auf. In der Selbstdarstellung des Netzwerks findet sich gar ein Zitat von Ulrike Meinhof: »Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht.« Dann aber führen sie selbst aus: »Wir waren, sind und bleiben nationale Sozialisten. Es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit gegenüber unserer Rasse«, für »unser geliebtes Heimatland« das voranzutreiben, wofür »unsere Vorfahren schon standen, nämlich ein Großdeutschland«. Die Schwabacher Autonomen Nationalisten behaupten von sich, »National- und Sozial­re­vo­lu­tionäre« zu sein, die den »Imperialismus durch revolutionären Sozialismus« beseitigen wollen.

Die Münchner Abteilung der AN hat sich vor Monaten von der »Kameradschaft München« abgespalten. Seitdem versuche sie, ein eigenes Netzwerk aufzubauen, erläutert Uli Schumann von der Antifaschistischen Informa­tions-, Dokumentations- und Archivstelle (Aida). Die Münchner AN soll, so sagt er, unlängst an Überfällen auf nicht-deutsche Jugendliche und Antifaschisten in Ravensburg und Heidenheim beteiligt gewesen sein. Sie will sich nicht mit einem »gemäßigten Nationalismus« begnügen.

Das hört sich nach der altbekannten Kritik der »Freien Kameradschaften« an der NPD an. So arbeiten sie auch mit dem Hamburger Neonaziführer Christian Worch zusammen, der die Partei schon oft als zu legalistisch und parlamentarisch kritisierte. »Eine inhaltliche Bestimmung eines ›autonomen Nationalismus‹«, betont Schumann, »findet bisher aber nicht statt.« Viele Schlagwörter seien altbekannt und inhaltsleer.

Mehrmals schon marschierten Neonazis vor dem US-Stützpunkt in Grafenwöhr auf. Im Jahr 2002 hatten die »Jungen Nationaldemokraten« unter dem Motto »Stoppt den Ausbau der amerikanischen Völkermordzentrale« zum Aufmarsch gerufen, 2003 die NPD unter dem Slogan »Kein Blut für Öl«. Am Aufmarsch war der damalige Anführer der »Kameradschaft Süd«, Martin Wiese, beteiligt, der zurzeit wegen eines geplanten Sprengstoffanschlags auf das jüdische Gemeindezentrum in München in Haft sitzt.

»In der Stadt haben wir keine rechte Szene«, behauptet Wächter, räumt aber ein: »Im Landkreis schon.« Als im April 2005 der NPD-Bezirk Unterfranken sich um den Kauf der ehemaligen Tennishalle im Ort bemühte, befürchtete die Stadt, dass ein Neonazizentrum entstehen könnte. Für etwa 500 000 Euro wollte der NPD–Bezirksvorsitzende Uwe Meenen die Halle vom Dresdener Immobilienhändler Wolfgang Jürgens erwerben. Zuvor hatte dieser der Stadt die heruntergekommene Anlage für 545 000 Euro angeboten. Die Stadt wollte aber nur 100 000 Euro zahlen.

»Der NPD habe ich aber dennoch einen Strich durch die Rechnung gemacht«, betont Wächter. Denn binnen weniger Tage brachte die finanzschwache Stadtverwaltung die geforderte Summe von 545 000 Euro auf. Bis heute bezweifelt der bayerische Verfassungsschutz jedoch, ob die NPD ein wirkliches Interesse an einem Kauf hatte.

Die verbalen Abgrenzungen der AN scheinen eine pragmatische Zusammenarbeit mit der NPD nicht völlig zu verhindern. Am 18. März will die NPD-Unterfranken in Würzburg marschieren. Gerüchte in der Szene besagen, die Partei überlege, statt in Würzburg nun in Grafenwöhr mitzulaufen. Die Parole »Ami go home« haben sie sowieso schon des Öfteren zusammen gegrölt.