Millionen Millionäre futsch

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»Wir werden in jedem Viertel einen Millionär schaffen«, versprach der wirtschaftsliberal-konservative Politiker Adnan Menderes Ende der vierziger Jahre. Ein halbes Jahrhundert später hatte sich das Versprechen des später weggeputschten und hingerichteten Ministerpräsidenten erfüllt: Wo schon das Laib Brot durchschnittlich 300 000 Türkische Lira (TL) kostete, war jeder ein Millionär. Nirgends gab es einen höheren Nennwert als die 20 Millionen-Liranote mit dem Konterfei Mustafa Kemal Atatürks. Dessen Bild ziert auch die Neue Türkische Lira (YTL), mit den vielen Nullen und den Millionen Millionären aber ist es seit Neujahr vorbei. Sechs Nullen sind nichtig, dafür kehrt die vor 30 Jahren verschwundene Währungseinheit Kurus zurück. Ein Euro ist künftig 1,79 YTL wert. Möglich wurde die größte Währungsreform der türkischen Geschichte durch die Inflationsbekämpfung. Betrug die Inflationsrate noch Mitte der Neunziger jährlich über 100 Prozent, lag sie 2004 unter zehn Prozent. Genau so hoch sind die Wachstumsraten, die Krise von 2001 scheint überwunden.

Weniger hübsch als der »Schritt in Richtung Europa«, als welcher die Umstellung allgemein gefeiert wurde, ist folgende Meldung: Umweltminister Osman Pepe zufolge haben nur 225 der 3 280 Städte und Gemeinden Kläranlagen. Die Scheiße von 55 Prozent aller Türken, darunter aus der gesamten Schwarzmeerregion, fließt geradewegs in die Landschaft.

deniz yücel