»Wir lassen uns nicht vertreiben«

Bettina K., Harry S. und Khalid O.

Die Kommunistische Partei Österreichs hat vergangene Woche das ehemals besetzte, politisch-soziale Zentrum Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) verkauft. Davon wurden die BewohnerInnen genauso überrascht wie große Teile der Partei. Innerhalb eines halben Jahres sollen sich die NutzerInnen nun neue Räume suchen. Mit einigen BewohnerInnen des EKH sprach Thomas Schmidinger.

Welche Bedeutung hat das Ernst-Kirchweger-Haus für die Linke in Österreich?

Das EKH ist das einzige autonome, soziale und politische Zentrum in Wien. 1990 wurde die damals leer stehende »Wielandschule« der KPÖ von autonomen Gruppen und politischen Vereinen türkischer MigrantInnen besetzt. Sie benannten das Haus nach dem Kommunisten und ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger, der während einer antifaschistischen Demonstration in den sechziger Jahren von Neonazis erschlagen wurde.

Das EKH entwickelte sich trotz staatlicher Repression und Hetze in den Medien zu einem politischen Zentrum, in dem versucht wird, emanzipatorischer Praxis trotz politischer Differenzen einen Raum zu geben. In dem Haus betreibt der türkische Verein ATIGF einen eigenen Bereich mit Café und Veranstaltungssaal. Es ist auch Platz für Konzerte und Solidaritätsveranstaltungen. Neben dem Lesben- und Schwulentreff Queerbeisl, dem Infoladen 10, der Volxbibliothek und dem Archiv der Sozialen Bewegungen gibt es im zweiten Stock auch Notschlafstellen für wohnungssuchende MigrantInnen. Das Tatblatt, das, wie Martin Schwarz in der Jungle World behauptete, »pubertäre Zentralorgan der Wiener Linken«, ist ebenfalls hier untergebracht.

Wie habt ihr vom Verkauf des EKH erfahren?

Eigentlich hatte der Vorsitzende der KPÖ, Walter Baier, noch vor einem Jahr zugesagt, uns im Falle eines Verkaufs und sogar noch vor den Verkaufsverhandlungen zu informieren. Entgegen diesen Zusagen haben wir jedoch wie alle anderen aus der bürgerlichen Presse vom bereits erfolgten Verkauf erfahren.

Die KPÖ behauptet, sie habe sich das EKH nach dem Novum-Urteil, durch das die Partei faktisch enteignet wurde, nicht mehr leisten können. Das Berliner Oberverwaltungsgericht hat vor einem Jahr entschieden, die KPÖ-eigene Handelsfirma Novum sei Teil des Parteiapparats der SED gewesen, daher gehöre deren Vermögen nun der Bundesrepublik Deutschland. Die KPÖ hat daraufhin bereits ihre Wochenzeitung Volksstimme eingestellt. Die Partei erklärt, sie könne nun auch nicht mehr für eure Betriebskosten aufkommen.

Dass sich die KP nichts mehr leisten kann, ist wohl traurige Realität. Es ist aber eine klassische Schutzbehauptung, dass sie finanziell für den Betrieb des EKH aufkommen musste, da wir unsere Betriebskosten selbst zahlen.

Wie sahen in der Vergangenheit eure Erfahrungen mit der KPÖ aus? War das eher eine politische Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Teilen der Linken oder gab es ständig Konfrontationen?

Seit der damalige Vorsitzende Walter Silbermaier 1991 den Mietvertrag unterzeichnete – er hat unmittelbar danach die Partei verlassen – gab es jahrelange Gerichtsprozesse. Die KP-eigene Immobilienverwaltung wollte verschiedene Gruppen aus dem Haus klagen. So gesehen, war das Klima von ständigen Konfrontationen unterschiedlicher Intensität geprägt. Nach dem Auszug des Vereines Romano-Centro, der Sinti und Roma betreut, setzte die KPÖ ihren formaljuristisch gültigen Anspruch auf diesen Teil der Räumlichkeiten durch. Trotz längerer Verhandlungen mit verschiedenen politischen Gruppen, die auch Nutzungskonzepte vorlegten, wurde uns der neue Mieter, der Dachverband serbischer Vereine, mit Hilfe eines massiven Polizeieinsatzes vor die Nase gesetzt. Dieser Einsatz hatte damals auch den Rauswurf von zwei Roma-Familien zur Folge.

Natürlich hat es aber auch immer wieder Zusammenarbeit und politische Bündnisse gegeben, was mit einer autoritär organisierten Partei mit Avantgardeanspruch nicht immer unproblematisch ist. Das hinderte aber etwa den Kommunistischen StudentInnenverband nicht daran, hier seine Partys zu feiern. Dabei kam es auch nie zu Problemen. Viel mehr Probleme hatten wir da schon mit den Festen des Dachverbands serbischer Vereine, auf denen es immer wieder zu rassistischen und sexistischen Übergriffen auf MigrantInnen und Frauen aus dem EKH kam.

Was werdet ihr jetzt tun?

Momentan laufen die Planungen für die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag unseres Einzugs am 26. Juni 2015 an. Aber im Ernst, wir wollen das EKH nicht aufgeben. Dafür ist es als soziales und politisches Zentrum einfach zu wichtig. Wir haben in den letzten Tagen auch schon sehr viel Solidarität aus der linksradikalen Szene, von Linksliberalen, aber auch aus der KPÖ selbst erhalten. Es scheinen ja auch viele in der KPÖ mit der Entscheidung der Parteiführung nicht einverstanden zu sein. Wir werden uns also nicht so schnell vertreiben lassen und hoffen auf eine friedliche Lösung des Konflikts, wie dies bereits bei der Besetzung 1990 gelungen ist. Damals konnten SchriftstellerInnen wie Peter Turrini und Elfriede Jelinek zu einer Lösung beitragen.

Wie ist eure rechtliche Position gegenüber dem neuen Eigentümer? Ihr habt doch für Teile des Hauses gültige Mietverträge.

Ja, aber eben nur für einen Teil des Hauses. Der Veranstaltungsbereich und der autonome Wohnbereich haben einen unbefristeten Mietvertrag. Für die anderen Bereiche des Hauses, wie den Flüchtlingsbereich, besteht eine Vereinbarung mit der KPÖ, in der ein Kündigungsschutz von drei Jahren im Falle eines Verkaufes festgeschrieben ist. Natürlich wissen wir, dass uns trotzdem ein jahrelanger Rechtsstreit bevorsteht.

Mittlerweile geht das Gerücht um, die KPÖ habe das EKH einer äußerst dubiosen Firma, die Verbindungen zu Neonazis unterhält, verkauft. Der im Firmenregister eingetragene Geschäftsführer der Vermietungs-GmbH, die das Haus erworben hat, Christian Machowetz, ist zugleich Chef der Sicherheitsfirma Security Management Christian Machowetz GmbH.

Das Neonazi-Gerücht konnten wir noch nicht verifizieren. Aber es würde uns nicht überraschen. Unter Wiens Immobilienhändlern und in den Sicherheitsdiensten wimmelt es nur so von vormals aktiven Neonazis. Jetzt geht es aber vorrangig darum, herauszubekommen, welche Interessen die neuen Besitzer verfolgen.

Wie geht ihr damit um, dass bei einer polizeilichen Räumung auch viele der migrantischen BewohnerInnen des Hauses gefährdet sein würden. Spielt ihre Situation eine Rolle in euren Überlegungen?

Wir hoffen, dass wir eine Räumung verhindern können. Klar ist, dass sich die KPÖ trotz des Verkaufes nicht vor der politischen Verantwortung drücken kann. In einem Land, in dem sich die postnationalsozialistische Volksgemeinschaft mit Händen und Füßen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen und AsylbewerberInnen wehrt, halten wir es für illusorisch, dass innerhalb kurzer Zeit korrekte Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Wir werden also unser Mögliches versuchen, dass es nicht zur Räumung kommt.