Raum der Experimente

raucherecke

Nach mehreren Stockwerken endet die Treppe in einem runden, düsteren Raum. Nur von ganz oben in der Kuppel fällt ein wenig Licht ein. Im Schein der Taschenlampe sieht eine wohl als Lastenaufzug benutzte Metallkonstruktion aus wie ein Galgen. Ein unheimliches, fremdes Schnaufen ist aus allen Richtungen zu hören und lässt das Blut in den Adern gefrieren. Bis man merkt, dass es das eigene ist, vom Treppensteigen. Jeder Schritt knallt in verschiedenen Varianten zurück ins Ohr. Ein ungläubiges »Das gibt’s doch nicht« erschallt gleichzeitig im Original, wie vom Band und als Echo, der leiseste Pfiff schrillt im Ohr.

Menschen reagieren völlig unterschiedlich auf dieses akustische Wunderwerk, das allein dem Kalten Krieg zu verdanken ist. Einer packt eine Maultrommel aus und spielt sie selbstvergessen, bevor er in einen Monolog verfällt: »Hallo Echo, warum sprichst du mir immer nach? Wer redet denn da die ganze Zeit?« Ein anderer klopft gegen die Wand, zehn, 15, vielleicht auch 20 Minuten lang. Der Geräuschpegel steigt und fällt, je nach dem Stand der Experimente.

Auf der Dachterrasse der ehemaligen Field Station Teufelsberg, um die beiden kugelförmigen, halboffenen Räume und den Turm in ihrer Mitte – sehen Abhöranlagen immer so phallisch aus? – weht ein kräftiger Wind. Die Planen, mit denen die kugelförmigen Metallgerüste umspannt sind, sind in Reichweite von Menschenarmen überwiegend herausgeschnitten, lose Teile klatschen gegen das Metall oder andere Stücke der Plane und machen Lärm. Der Ausblick lohnt sich.

Kein Wunder, dass jemand auf die Idee gekommen ist, auf Berlins höchstem Trümmerberg ein Hotel und Luxuswohnungen zu bauen, woran eine Musterwohnung im Hauptgebäude und ein mit Graffiti bemaltes Schild am Eingang der Anlage erinnern. Doch der Plan ist vom Tisch.

So laden weiterhin mehrere mehrstöckige Gebäude, zum Teil entglast, zum Teil fensterlos, zu Erkundungstouren ein, durch endlose Gänge mit aufgerissenen Kabelkanälen, muffige Innenräume, und ganze Etagen, von denen nichts als der Rohbau geblieben ist. Manche Räume enden jäh mit einem ungesicherten Loch in der Außenwand. Rundumvertäfelungen aus Holzimitat erinnern daran, dass auch im Westen einmal ein Stil gepflegt wurde, dem heute meist zu Unrecht das Prädikat »ostig« verliehen wird. Kabel und Sicherungskästen sind die einzigen Reste des hochmodernen Inventars der ab 1964 fest installierten US-Abhörstation, mit der der Funkverkehr des Systemgegners bis zur polnisch-sowjetischen Grenze abgehört werden konnte und die im Jahr 1992 abgebaut wurde.

anna gärtner