Powerplay in Liberia

Von Alex Veit

Die Tage des liberianischen Präsidenten Charles Taylor sind gezählt. von alex veit

Nach wochenlangen Diskussionen hat sich Ende vergangener Woche der baldige Beginn der militärischen Intervention im liberianischen Bürgerkrieg abgezeichnet. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete eine Resolution für die Entsendung einer internationalen Truppe, deren Hauptaufgabe die Durchsetzung des Waffenstillstandsabkommens zwischen Rebellen und Regierung vom 17. Juni sein soll. Eine zwölfköpfige militärische Delegation unter Führung des nigerianischen Generals Festus Okonkwo flog in die liberianische Hauptstadt Monrovia, um eine Intervention der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas vorzubereiten. Im Lauf des Wochenendes wurden auch US-amerikanische Kriegsschiffe mit mehr als 2 000 Soldaten an Bord vor der Küste der Stadt erwartet.

Während in Monrovia und Buchanan weiter gekämpft wurde, erklärte Ghanas Außenminister Nana Akufo-Addo, es sei zu »erwarten«, dass der liberianische Präsident Charles Taylor am »11. August formell die Macht übergibt und dass der Prozess seiner Abreise beendet wird«. Taylor äußerte sich gewohnt mehrdeutig darüber, wann und ob er sein Exil in Nigeria antreten würde.

Festus Okonkwo, der die Ecowas-Intervention leiten wird, kündigte die Ankunft nigerianischer Truppen für Montag an und erklärte: »Am Montag gehe ich rein, und wenn ich am Montag reingehe, wird es ernst.«

Die USA, Ecowas und die Uno debattierten bis zuletzt, welche Rolle US-Truppen in der Intervention spielen würden und wer die Rechnung für die Stationierung der Ecowas-Soldaten bezahlen sollte. UN-Generalsekretär Kofi Annan »lieh« schließlich Geld und ein nigerianisches Bataillon von der UN-Mission im benachbarten Sierra Leone. Die USA, die wiederholt ihre Bereitschaft zur Hilfe bekundet hatten, finanzierten bislang nur den Transport von Ecowas-Truppen, den eine kalifornische Firma organisieren wird.

Ob die US-Marines auf den vor Liberia stationierten Schiffen jedoch an Land gehen werden, blieb weiter unklar. Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo beschwerte sich in einem BBC-Interview über die Erklärungen der USA, erst nach der Befolgung eines Waffenstillstands zwischen den Kriegsparteien und der Entfernung Taylors aus Monrovia vielleicht Truppen stationieren zu wollen. »Wenn dein Haus brennt und jemand sagt: ›Hier bin ich mit meinem Feuerwehrauto. Wenn du das Feuer löschst, werde ich reinkommen‹, da frage ich mich bei allem nötigen Respekt, welche Art von Hilfe das ist.«

Neben Sierra Leone und Côte d’Ivoire wird Liberia das dritte Land an der westafrikanischen Küste sein, das durch eine Zusammenarbeit regionaler afrikanischer und westlicher Staaten »befriedet« werden soll. Während in Sierra Leone UN-Truppen gemeinsam mit britischen Elitesoldaten das Ende des Bürgerkriegs erzwangen, stehen in Côte d’Ivoire noch immer französische Soldaten zwischen den Bürgerkriegsparteien, die inzwischen eine gemeinsame Regierung gebildet haben. Nach und nach sollen die französischen Einheiten von westafrikanischen Kräften ersetzt werden.

In Liberia hingegen findet nunmehr bereits die zweite Intervention ausländischer Friedenstruppen statt. 1990, wenige Monate nach dem Beginn der von Charles Taylor angeführten Rebellion, intervenierte die Ecowas in dem Konflikt. Doch die mangelhaft ausgerüsteten und im Wesentlichen von der damaligen Militärdiktatur Nigerias entsandten Ecomog-Soldaten wurden selbst zu einer Kriegspartei und beteiligten sich auch am Waffenhandel mit den zersplitterten Bürgerkriegsfraktionen. 1997 überließ die Ecowas Taylor das Land, der die Wahlen gewann. 75 Prozent der liberianischen Wähler stimmten für den Warlord, der im Falle einer Wahlniederlage mit der Wiederaufnahme des Krieges gedroht hatte.

Doch der Friede hielt nicht lange. Ein fragiles Bündnis aus von Taylor verjagten Warlords und Mitgliedern der früheren Regierung begann vor drei Jahren unter tatkräftiger Mithilfe des US-Verbündeten Guinea unter dem – angesichts ihres brutalen Vorgehens obszönen – Namen »Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie« (Lurd) eine weitere Rebellion. Die Lurd, deren politisches Programm hauptsächlich aus der Beseitigung der Regierung Taylor besteht, machte sich die sozialen Spannungen in der Region zunutze, die es bereits Taylor, aber auch den Rebellen in Sierra Leone und Côte d’Ivoire ermöglichten, mit einer ursprünglich geringen Anzahl von Kämpfern Bürgerkriege von katastrophalen Ausmaßen auszulösen.

In allen vom Bürgerkrieg betroffenen Ländern Westafrikas haben die gesellschaftlichen Konflikte ähnliche Ursachen. Über Jahrzehnte vernachlässigten die Regierungen in diesen Ländern die Integration der im Landesinneren lebenden Bewohner. In Liberia regierte bis 1980 eine Oligarchie aus den Nachfahren freigelassener US-amerikanischer Sklaven, die Mitte des 19. Jahrhunderts die Republik gegründet hatten, gemeinsam mit den Eliten der an der Küste siedelnden Gesellschaften. Das lange im Kolonialstil verwaltete Landesinnere blieb von Infrastrukturinvestitionen in Schulen und Straßen weitgehend ausgeschlossen. Erst in der afrikanischen Aufbruchsituation nach der Dekolonisierung liberalisierte sich das politische System. In den Universitäten bildete sich eine intellektuelle Opposition, und die in die Küstenstädte ziehende Jugend wurde zum Teil in die untersten Ränge der Armee integriert.

Gleichzeitig verfiel allerdings der Preis für Liberias Exportprodukte Eisenerz und Kautschuk, während der Preis des importierten Öls sich vervielfachte. Der liberianischen Regierung ging das Geld aus. 1980 putschte Samuel Doe zusammen mit einem Dutzend weiterer Soldaten aus dem Inland. Eigentlich wollte die Gruppe beim Präsidenten nur nachdrücklich ihren ausstehenden Sold einfordern. Doch wenige Stunden später waren die meisten Regierungsmitglieder erschossen, und in Liberia begann die Zeit der gewaltsamen Konfliktaustragung. Doe, der von den USA finanziell und militärisch unterstützt wurde, begann, zügig seine Mitputschisten zu ermorden und die Armee zu einer Miliz aus Mitgliedern seiner »Ethnie« zu machen.

Als Charles Taylor Weihnachten 1989 seine Rebellion begann, griff er insbesondere Does Gefolgsleute an. Die Armee verübte Rachemassaker an konkurrierenden ethnischen Gruppen, und Taylors lediglich wenige hundert Rebellen zählende Miliz vergrößerte sich schnell auf mehrere tausend jugendliche Soldaten, die sich gegen die Armee wehren wollten.

»In der Tat kann uns schon das Nachdenken über die Größe der Herausforderung, vor die Liberia uns stellt, von Beginn an frustrieren«, sagte Ghanas Präsident John Kufuor vergangene Woche bei einem Ecowas-Gipfel zur Vorbereitung der Intervention in Liberia. »Aber uns frustrieren zu lassen, würde bedeuten, vor unserer Verantwortung für (…) Frieden und Stabilität nicht nur in Liberia, sondern in der gesamten Region zurückzuschrecken.« Bislang waren die westlich-afrikanischen Interventionen in Westafrika zumindest darin erfolgreich, die Bürgerkriegsfraktionen in Schach zu halten und manchmal auch zu entwaffnen. Die sozialen Spannungen, die durch die zerstörerischen Bürgerkriege extrem verschärft wurden, werden jedoch auch weiter existieren. Lediglich eine professionelle Armee aufzubauen, wie es die Briten gegenwärtig in Sierra Leone tun, wird aber nicht genügen, den Zerfall der westafrikanischen Gesellschaften aufzuhalten.