Patassé ist passé

Von Alex Veit

Ein unblutiger Putsch vertrieb den zentralafrikanischen Präsidenten Patassé aus dem Amt. Nun erkennt selbst seine eigene Partei den neuen Machthaber Bozizé an. von alex veit

François Bozizé ist ein frommer Kriegsherr. Der Gründer der Christianisme Céleste Nouvelle Jerusalem, einer protestantischen Kirche, unternahm nach seinem vorerst erfolgreichen Putsch in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) erst einmal eine ausgedehnte Tour durch die Kirchen, Moscheen und Tempel der Hauptstadt Bangui. Dabei verkündete er seinem in viele Konfessionen zersplitterten Staatsvolk, dass er sich als neuer Präsident für einen »Übergang des Konsens« einsetzen werde. Bozizé übernahm Mitte März die Macht in der Hauptstadt Bangui, als der amtierende Präsident Ange-Félix Patassé gerade außer Landes war.

Die bislang nicht nach einer Meinung gefragte Bevölkerung hat unterschiedlich reagiert. Berichten zufolge begrüßten viele den neuen Machthaber mit Begeisterung, in den ersten Tagen nach dem Putsch kam es jedoch auch zu ausgedehnten Plünderungen.

»Augenzeugen sagen, dass es war, als ob die Hälfte der Bevölkerung Banguis an dem Warenhaus zusammengekommen war. Es muss gewesen sein wie bei Ameisen, die das Essen wegtragen«, erklärte der für die ZAR zuständige Direktor des World Food Programms (WFP), David Bulman, nach dem Verlust der gesamten Vorräte seiner Organsation in der Stadt. Andere Berichte, die weniger bildreiche Metaphern aus dem Tierreich verwendeten, sprachen von jugendlichen Plünderern, die sich mit Turbanen verkleidet hatten, um sich als Söldner Bozizés aus dem Nachbarland Tschad auszugeben. Inzwischen haben echte Soldaten aus dem Tschad zusammen mit Bozizés Miliz die Ordnung allerdings wieder hergestellt.

Bozizé, wie sein Gegenspieler ein Veteran der zentralafrikanischen Politik, war wahrscheinlich bereits im Mai 2001 an einem von libyschen Truppen niedergeschlagenen Putsch beteiligt. Damals war er noch Stabschef der Armee. Als er sich vor einer Kommission erklären sollte, floh er mit 300 Soldaten in den entlegenen Norden des Landes und schließlich in den Tschad.

Während Patassé auf einer Konferenz der Sahel- und Sahara-Staaten weilte, nahm Bozizé kampflos die Hauptstadt ein. Weder die seit Monaten unbezahlten Regierungstruppen noch die Peacekeeper der zentralafrikanischen Wirtschaftsunion Cemac leisteten Widerstand. »Unsere Mission war nicht die Verteidigung der Residenz des Staatsoberhauptes, und ich denke nicht, dass unsere Mission versagt hat«, erklärte der Stabschef der Cemac, Oberst Basile Sillou, der UN-Nachrichtenagentur Irin. In der Tat sah sein Mandat nur den Schutz des Präsidenten selbst vor, der ja außer Landes war, beim Landeanflug auf Bangui aber offenbar von Bozizés Truppen beschossen wurde.

»Als unsere Truppen dort gewesen sind, haben wir alle Putschversuche verhindert. Aber nachdem unsere Truppen sich zurückgezogen haben und von denen der Cemac ersetzt worden sind, sehen Sie, was passiert ist«, kommentierte Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi die Ereignisse. Patassés Entmachtung bedeutet für den Advokaten der afrikanischen Einheit einen erheblichen Einflussverlust im zentralen Afrika. Patassé befindet sich nun im togolesischen Exil.

Ebenfalls im Exil haben sich Patassé und Bozizé bereits in den achtzigerJahren kennen und zunächst auch schätzen gelernt. Die damaligen Oppositionellen kehrten 1993 zurück und nahmen an den ersten Präsidentschaftswahlen nach dem Ende der Militärdiktatur teil. Damals gewann Patassé eine Mehrheit und machte Bozizé zum Kommandanten der kleinen Regierungsarmee. Doch Patassé enttäuschte die demokratischen Hoffnungen, indem er fast jährlich die Regierung umbildete, Gelder veruntreute, Beamte und Soldaten nicht bezahlte, eine eigene Jugendmiliz gründete und ethnische Spannungen schürte. Seine Wiederwahl war 1999 umstritten und wurde von der Opposition nicht anerkannt. Schließlich wandte sich auch Bozizé gegen ihn.

Dass Patassés Herrschaft kampflos beendet wurde, lag wohl vor allem an der restlos geleerten Staatskasse. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte sich zuletzt geweigert, weitere Gelder auszuzahlen. Immer wieder kam es zu gewerkschaftlich organisierten Streiks, und am Ende sahen die Soldaten keinen Grund mehr, ihr Leben für Patassé einzusetzen.

Die bereits seit der Unabhängigkeit instabile politische Lage wurde in den letzen Jahren zunehmend von den Krisen in den angrenzenden Staaten beeinflusst. Während Patassé sich seit 2001 mit Libyen und der Miliz MLC aus der Demokratischen Republik Kongo verbündete, suchte Bozizé die Nähe der Regierung des Tschad, die mit Libyen verfeindet ist. Nachdem seine undisziplinierten Hilfstruppen aus dem Kongo Anfang März aus bislang ungeklärten Gründen abgezogen waren, war Patassé militärisch geschwächt.

Der neue selbst ernannte Präsident kündigte an, die Beziehungen zur Weltbank und zum IWF wieder herzustellen, die Staatsangestellten zu bezahlen und nach einer Übergangszeit freie Wahlen abhalten zu lassen. Die zersplitterte Opposition scheint Bozizé vorerst zu trauen. Verschiedene Oppositionelle und Ex-Präsidenten kündigten inzwischen ihre Rückkehr aus dem Exil an, und sogar die MLPC, die Partei Patassés, bekundete ihre Bereitschaft, an einer Übergangslösung mitzuarbeiten. Zum neuen Premierminister konnte Bozizé sogar Abel Goumba berufen, der bereits nach der Unabhängkeit dieses Amt bekleidet hatte. »Das war kein Putsch, sondern eine Revolution, eine Befreiung«, erklärte Goumba, der sich lange von den politischen Ränkespielen des Landes ferngehalten hat und deshalb als integer gilt.

Auf diplomatischer Ebene konnte Bozizé ebenfalls erste Erfolge verbuchen. Die Cemac, in der die regionalen Staaten vertreten sind, erkannte seine Herrschaft an und beschloss, die Soldaten aus dem Tschad in ihre Friedensmission einzugliedern, deren Mandat nun verändert werden soll. Auch Frankreich, das 300 Fremdenlegionäre nach Bangui verlegte, um westliche Ausländer zu schützen, unterstützt ihn zumindest indirekt. Die USA beschränkten sich auf eine halbherzige Verurteilung des Putsches, ohne die Wiedereinsetzung der alten gewählten Regierung zu fordern.

Die Afrikanische Union verlangte wie der UN-Generalsekretär Kofi Annan die Rückkehr zur verfassungsgemäßen Ordnung und eine nationale Versöhnung. Doch offenbar ist den westlichen Staaten das Ende des jahrelangen Machtkampfs nach dem Sieg eines Kontrahenten lieber als die bisherigen Konfliktschlichtungsmodelle.