Samstag, 31.08.2024 / 18:57 Uhr

Berlin: Der antisemitische Wahn bricht sich Bahn

Bildquelle: Freepix

Neulich erzählte mir eine jüdische Berlinerin: “Seit über 40 Jahren wohne ich in Berlin, ich wurde hier geboren, bin hier aufgewachsen. Aber jetzt, seit dem 07. Oktober, kenne ich meine Stadt nicht mehr. Mir wurde der Boden unter den Füßen weggezogen.”

 

Bereits im Juni stellte die Jüdische Allgemeine fest, dass Berlin gekippt ist. Jüdisches Leben und alles, was mit dem Judentum oder Israel in Verbindung gebracht werden kann, muss entweder versteckt oder von der Polizei abgeschirmt werden. 

 

Öffentlich eine Kippa tragen? Unmöglich. Öffentlich einen Davidstern tragen? Unmöglich. Öffentlich ein T-Shirt mit der Israelischen Fahne drauf tragen? Unmöglich. 

 

Synagogen, jüdische Kindergärten, jüdische Schulen? Müssen von der Polizei abgeschirmt werden.

 

Und es war schon vor dem 07. Oktober alles andere als gut.

 

Die Ursachen für diese erzwungene Unsichtbarkeit des Judentums konnte man mal wieder am Mittwoch, den 29.08., direkt am Hauptbahnhof Berlin beobachten: Eine Melange aus postkolonialen “Linken” und Islamisten skandierte lauthals “Hoch die internationale Solidarität”, “Intifada”, “Hamas” und Qassam”. Die Qassam-Brigaden, die militärische Elite-Einheiten der Hamas, sind, wie die Hamas, von der EU als Terrororganisation eingestuft. Die Qassam-Brigaden bildeten auch die Speerspitze des grausamen Pogroms am 07.Oktober.

 

Rund 100 antisemitische Aktivisten versammelten sich gegen 18:00 im Bahnhofsgebäude und zelebrierten eine illegale Kundgebung. Illegal, weil das Bahnhofsgebäude kein öffentlicher Raum ist, hier hat die Deutsche Bahn das Hausrecht und das Management des Berliner Hauptbahnhofs erlaubt keinerlei Versammlung. Die hoch emotionalisierten Aktivisten bildeten gegen Ende einen Pulk mit verschränkten Armen, um der Polizei die Festnahmen möglichst zu erschweren. 79 von ihnen wurden von der Polizei vorübergehend festgenommen, gegen 72 von ihnen wurde Anzeige erstattet, unter anderem wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher und terroristischer Organisationen. 

 

Kundgebung: "Hoch die internationale Solidarität"

 

Die Teilnehmer dieser Kundgebung waren recht jung,  auffallend viele keine 25 Jahre alt. Einzeln werden sie von der Polizei vorübergehend festgenommen und aus dem Bahnhofsgebäude heraus begleitet. Vor dem Bahnhof wurden noch ihre Personalien aufgenommen. All das war schon vorher absehbar. 

 

Dabei zeigen sie weiter stolz mit erhobenem Haupt das Victory-Zeichen, skandieren weiter ihre terroristischen Parolen. Vermutlich imaginiert sich der ein oder andere schon stolz als Märtyrer, der sein Opfer (eine schwerwiegende Anzeige der Staatsanwaltschaft) bereitwillig gibt, schließlich opfert er sich selbst für eine ihm höher stehende Sache: Terror gegen Israel, Terror gegen Juden.

 

Diese Aktivisten als pathologische Randerscheinung abzutun, ist dabei eine viel zu einfache Augenwischerei, eine falsche Betrachtung des Phänomens. Diese Aktivisten sind vielmehr der Höhepunkt des in den gesellschaftlichen Verhältnissen bereits tief verankerten Wahns. Das, was sich da am Hauptbahnhof offenbart hat, ist nicht einfach ein abgetrennter, extremistischer Teil der Gesellschaft, es ist der Kulminationspunkt der gesellschaftlichen Normalität. Bei diesen Aktivisten verdichtet sich brachial ein Antisemitismus, der bereits in der gesellschaftlichen Normalität schlummert und woanders lediglich versteckter, etwas zivilisierter verkleidet und kodiert sich Bahn bricht. 

 

Eine antisemitische, wahnhafte Normalität, die Juden in Deutschland allgegenwärtig zu spüren bekommen, wie es die Jüdische Allgemeine schon im Juni konstatierte.