Mittwoch, 20.03.2019 / 22:20 Uhr

Rückkehrmarschierer wenden sich gegen die Hamas

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Einst war die „arabische Straße“ eine feste Größe: Ob nationalistisch oder islamistisch, Despoten und autoritäre politische Führer nutzten sie gekonnt für ihre Zwecke. Wer erinnert sich nicht an die orchestrierten Massenaufmärsche in Kairo, Bagdad, Beirut, Teheran und Gaza. Nach Rache wurde dort gebrüllt, das Ende von Imperialismus und Zionismus gefordert und wirksam Fahnen verbrannt und mit Gewalt gedroht. Spätestens seit 2011, als Millionen in der arabischen Welt sich dann gegen ihre eigene Führung richteten und die seit Jahrzehnten festgefrorenen Herrschaftsverhältnisse ins Wanken brachten, wurde klar, dass diese viel zitierte arabische Straße nicht mehr existierte.

Stimmung kippt

Entsprechend selten sind die Aufmärsche geworden, politische Führer halten sich zurück, wissen sie doch, wie schnell sich die Stimmung gegen sie richten kann. Allerdings gab es noch einige Ausnahmen: Die Hamas im Gazastreifen etwa, die sich ihrer Herrschaft ziemlich sicher wähnte.

Aber selbst da ändern sich die Dinge gerade rasant. Schon zu Beginn des vergangenen Jahres, als es zu Planungen des sogenannten „March of  Return“ kam, hielt sich Hamas anfangs eher zurück, bevor sie versuchte die Bewegung für sich zu reklamieren. Schon damals schien man zu befürchten, die Proteste könnten sich irgendwann nicht mehr nur gegen Israel, sondern einen selbst richten. Und genau dies scheint nun zu geschehen:

„Die Hamas dachte, sie könnte die Kontrolle über die Märsche erlangen, doch bald stellte sich heraus, dass sie damit falsch lag. Was in Gaza passierte, war dasselbe, das sich auch in Syrien zugetragen hatte [wo die Regierung ebenfalls ‚Rückkehrmärsche‘ gegen Israel organisierte, die bald darauf in Demonstrationen gegen sie selbst resultierten]. Die Demonstranten, die sich an den Grenzzaun zu Israel aufmachten, wenden sich nun gegen die Hamas selbst. Darüber hinaus postete der ursprüngliche Anstifter der Märsche, Ahmed Abu Ratima, auf Facebook einen Aufruf an die Hamas-Polizisten, ihre Uniformen abzulegen und sich in die Demonstrationen gegen die Hamas einzureihen. Er rief sogar zur Gründung eines Komitttees aller Organisationen auf, das Gaza verwalten soll. Mit anderen Worten: Die Demonstranten, die auszogen, um den Grenzzaun zu Israel zu demontieren, wollen nun die Hamas demontieren.“

Repressionen der Hamas

Derweil geht die Hamas mit voller Härte gegen die Demonstranten vor. Human Rights Watch schreibt:

Hamas security forces have responded by viciously beating demonstrators, as shown in footage we have reviewed; rights defenders, including two senior representatives of the Palestinian watchdog the Independent Commission for Human Rights (ICHR); and opponents, including the spokesman of Fatah, its political rival movement.

Authorities have also carried out scores of arbitrary arrests –
more than 1000 according to ICHR. Among those arrested are at least 17 local journalists, according to the journalist syndicate in Gaza; and six human rights defenders, including representatives of the Palestinian Center for Human Rights, Al-Mezan Center for Human Rights, Al Dameer Association for Human Rights in Gaza, and Amnesty International. The rights workers and most demonstrators and journalists were released after several hours in detention, though ICHR estimated on March 18 that about 300 remained in detention.

Weitere Proteste geplant

Die Repressionen aber halten Aktivisten keineswegs davon ab, zu weiteren Protesten in den nächsten Tagen aufzurufen:

Palestinian activists said on Tuesday that they will continue to protest against the high cost of living and bad economic situation in the Gaza Strip, despite Hamas’s tough measures against the protesters.

The activists declared a general strike in the Gaza Strip on Wednesday and Thursday, and called for civil disobedience against Hamas. They urged Palestinians to gather at public squares throughout the Strip to continue the protest, which is being held under the banner “We Want to Live!”

The activists called on protesters to bang on pots during the afternoon demonstrations and to whistle from their homes in the evening until their demands are fulfilled.