Dienstag, 26.02.2019 / 08:15 Uhr

EU Gipfel: Stabilität mit Despoten

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Aus dem Netz

Den Gipfer der arabischen Liga mit der EU kommentiert Andreas Backhaus in der Zeit:

Heute sind (in Ägyten) mehr als 60.000 Menschen in Haft, regelmäßig werden Journalisten, Blogger, Fotografen, Musiker verhaftet. Die Zivilgesellschaft wurde in den Untergrund gedrängt, wer sich traut, darüber öffentlich – etwa auf Podiumsdiskussionen im Ausland – zu sprechen, muss damit rechnen, bei der Rückkehr nach Kairo gleich am Flughafen festgenommen zu werden.

Das Wort Stabilität funktioniert für Europäer immer. Selbst wenn sie unter arabischen Autokraten immer nur scheinbar und zu einem hohen Preis zu haben war.

All das ist hinlänglich dokumentiert, auch die europäischen Staatschefs kennen die Berichte. Einst haben sie die Revolution und den Fall Mubaraks als Ende der Diktatur und demokratischen Befreiungsschlag der arabischen Jugend gefeiert. Doch heute zeigen sie zunehmend unverhohlen, was sie unter Realpolitik im Mittleren Osten verstehen: Sie schließen Wirtschaftsdeals in Milliardenhöhe mit einem Staatschef, der die eigene Bevölkerung drangsaliert. Sie sehen Sissi als Partner beim Thema Migration, damit die Flüchtlinge in Nordafrika bleiben – obwohl auch immer mehr Ägypter ihre Heimat verlassen wollen, um dem Unterdrückungsapparat zu entkommen.

Und nicht zuletzt sehen die Europäer Sissi als wichtigen Verbündeten im sogenannten Kampf gegen den Terror – obwohl er es weder schafft, Anschläge auf koptische Christen zu verhindern, noch den islamistischen Gruppen im Sinai Einhalt zu gebieten. Vielmehr hat sein gewaltsames Vorgehen gegen die Anhänger der moderaten und mehrheitlich friedlichen Muslimbrüder dazu geführt, dass sich frustrierte junge Ägypter in den vergangenen Jahren Terrorgruppen wie dem "Islamischen Staat" angeschlossen haben. Zu mehr Stabilität hat das nicht geführt.

Sissi weiß genau, wann die europäischen Staatsoberhäupter reflexhaft ihre Unterstützung bekunden. Das Wort Stabilität funktioniert für Europäer immer. Selbst wenn sie unter arabischen Autokraten immer nur scheinbar und zu einem hohen Preis zu haben war. Unter Mubarak wurden die Islamisten im Untergrund gehalten, wo sich viele erst radikalisierten. Meinungsfreiheit gab es nicht, Dissens wurde hart bestraft. Ähnlich war es in Tunesien unter Ben Ali. Und der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi hat viel Geld aus Europa dafür bekommen, Migranten aus Subsahara von der Weiterreise nach Italien abzuhalten. Im Gegenzug durfte er ungestört sein Land plündern. In Syrien konnte die Assad-Familie jahrelang die eigene Bevölkerung unterdrücken und wurde trotzdem von westlichen Politikern als kleineres Übel gesehen. Eine fatale Fehleinschätzung.